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Almut Skriver und Regina Stottrop vom Netzwerk für Gemeinschaftliches Bauen und Wohnen - in Köln im Haus der Architektur.

Interview vom 19. April 2017 in Köln

 

 
   


Almut Skriver © Nicole Compère
Regina Stottrop

Ich würde gern anfangen mit der Frage: wie schätzt ihr die augenblickliche Situation in Köln ein, was die Bewegung der Gemeinschaftlichen Bau- und Wohnprojekte angeht?
R.S. Meine Einschätzung ist, dass es zwei gegenläufige Tendenzen gibt. Die eine ist, dass es eine zunehmend größer werdende Gruppe von Menschen gibt, die gemeinschaftlich wohnen wollen. Da sehe ich vornehmlich das Wachstum in der Gruppe der älter werdenden Leute, die sich aus verschiedenen Gründen für ihren Lebensabend eine gemeinsame Zukunftsperspektive wünschen. Einerseits, weil sie vielleicht Eigentum haben, das sie nicht mehr bewirtschaften wollen, weil es viel zu groß ist, andererseits auch weil sie sich ein Leben im Alter alleine nicht vorstellen können. Diese Gruppe wächst und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Und zugleich gibt es die Tendenz, dass der Wohnungsmarkt enger und immer teurer wird und kaum Nischenprojekte möglich macht.

Du bezeichnest Gemeinschaftliche Wohnprojekte als Nischenprojekte?
R.S. Ich glaube, dass sie in so einem engen Wohnungsmarkt wie wir ihn im Moment in Köln haben, noch Nischenprojekte sind, weil es bestimmte Rahmenbedingungen braucht und viel Zeit, um solche Projekte zu realisieren. So eine Gruppe braucht eine Vorlaufzeit, egal in welcher Form sie ihr Projekt realisieren will.

Würdest du sagen, dass die Situation vor ein paar Jahren besser war?
R.S. Sagen wir mal so, vor einigen Jahren gab es noch nicht so viel Aufmerksamkeit auf dieses Thema, und insofern gab es das Thema eigentlich kaum. Gleichzeitig gab es mehr Chancen, Projekte zu realisieren auf einem weniger angespannten Markt. Politisch kann man natürlich dennoch sagen, dass es ein zunehmendes Gewicht bekommt.
Es gab in den letzten Jahren zwei Chancen in Köln, das Areal in Sülz (2009) und das Clouth Areal (2014). Es wird auch sicherlich weitere Projekte geben, aber das sind wenige und kleine Projekte, die der Menge der Interessierten nicht gerecht werden.
A.S. Und das sind vor allem auch nur Baugruppen und keine Wohnprojekte in anderen Organisationsformen. Für die klassische Baugruppe als Wohneigentümer-Gemeinschaft sind die Zielgruppe u.a. junge Familien und im besten Fall gemischt mit älteren Leuten. Junge Familien und ältere Leute, die aber so solvent sind, dass sie die aufgerufenen Preise bezahlen können. Das sind zwei Zielgruppen, die für Projektentwicklungsgesellschaften ja auch sympathisch sind. Ich denke, die privaten Projektentwickler können ihre Wohnungen sowieso gut verkaufen und brauchen den Aufwand mit Gruppen nicht zu betreiben.
Es war Herr Streitberger, der als Dezernent der Stadt Köln das Pilotprojekt in Sülz mit ermöglicht hat. Das erste von der Stadt Köln ausgeschriebene Projekt mit Grundstücken für Baugruppen. Und da das Ganze gut gelaufen ist, hat er später als Geschäftsführer der Modernen Stadt, weil er das Thema bereits kannte und wusste, dass das klappt, gesagt, wir machen das auf dem Clouth Gelände auch.
Sein Nachfolger bei modernen stadt ist dafür, glaube ich, auch aufgeschlossen. Also ich hoffe, und so entnehme ich es aus Bürgerbeteiligungsprozessen, dass es in den durch stadteigene Gesellschaften entwickelten Geländen in Zukunft hier und da Baugemeinschaften geben wird. Aber eben erstmal für Baugruppen in der Eigentumsform. Das heißt, die Stadt verkauft nicht an einen Investor, sondern verkauft ein Baufeld an soundsoviele Baugruppen mit einem halben Jahr Vorlauf, das hier nötig ist. Aber im Prinzip funktioniert das danach genau so wie der Verkauf an andere Eigentümer. Das Grundstück wird verkauft, und den Rest leisten dann die Baugruppen. Für Wohnprojekte, wie wir sie aus anderen Städten kennen, funktioniert es hier in Köln noch nicht. Da wäre mehr Unterstützung nötig.

Wie sollte denn diese Unterstützung, von der du sprichst, idealerweise aussehen?
A.S. Ich sehe einen ganz großen Unterschied zwischen Köln und anderen Städten darin, dass wir hier keine Quote für Baugemeinschaften haben. Zum Beispiel hat der Senat in Hamburg beschlossen, von jedem städtischen Areal, das für Wohnungsbau verkauft wird, 15 Prozent an Baugemeinschaften oder Wohnprojekte zu geben. In München existiert schon seit vielen Jahren eine große Genossenschaftsbewegung. Die Genossenschaften, z. B. wagnis eG, werden inzwischen regelmäßig in die Stadtplanung einbezogen und sind ein strategisches Stadtentwicklungsinstrument geworden.
Wir waren mit dem Netzwerk Gemeinschaftliches Bauen und Wohnen in München, wo uns eine Projektentwicklerin berichtet hat, wie der Prozess gelaufen ist. Die Stadt hat bewusst die gemeinschaftlichen Wohngruppen und Genossenschaften ganz am Anfang eingesetzt, um auch die anderen Investoren mit zu koordinieren. Es wurde eine Art Nachbarschaftsbüro eingerichtet, in dem Abstimmungen während des Bauens für das gesamte Gebiet gemacht wurden. Daraus sind dann zwei Dinge entstanden: eine GmbH, die Mobilitätskonzepte organisiert und ein Verein, der die ehrenamtliche Arbeit koordiniert, wie Kinder-, Hausaufgabenbetreuung, Flüchtlingshilfe und so weiter. Die Genossenschaftsmitglieder und Aktivisten wurden von der Stadt bewusst als Motor für eine lebendige Nachbarschaft eingesetzt. Das war eine strategische Idee der Stadt. Kritisiert wurde von der Baugruppen-Betreuerin, dass das alles ehrenamtlich geleistet werden musste und es keine Personalkapazität der Stadt dafür gab. Sie haben sich der Baugruppen bedient, die bereits untereinander organisiert waren.

Glaubt ihr, dass sich so etwas auch in Köln entwickeln wird? Und vor allem, wie könnte das Kölner Netzwerk dabei aktiv werden?
A.S. Da muss man vielleicht mal unterscheiden. Das erste Netzwerk, in dem wir beide sehr aktiv waren, hat sich 2009 gegründet, als das Sülzer Projekt losging.


Das Überraschende an dieser Veranstaltung damals war, dass so viele Leute gekommen waren. Damit hatte niemand gerechnet, und es wurde schlagartig klar, dass es einen riesigen Bedarf gibt. (A.S.)

 

Was war damals der Anlass, das Netzwerk zu gründen?
R.S. Auf einer Info-Veranstaltung im Haus der Architektur, in dem damals u.a. Utz Ingo Küpper, Thomas Luczak und ich im Vorstand waren, haben wir über die Absichten der Grundstückseigentümer des ehemaligen Kinderheimgeländes in Köln-Sülz (eine städtische Tochtergesellschaft ) berichtet, Teil der Baugrundstücke an Baugruppen zu vergeben. Wir hatten auch Herrn Streitberger eingeladen, der seinerzeit Baudezernent war. Utz Küpper hat dann vorgeschlagen, das Netzwerk noch an diesem Abend zu gründen, was dann auch beschlossen wurde. Das war erstmal nur eine Absichtserklärung.
A.S. Wir hatten die Veranstaltung auf der Webseite des Hauses der Architektur publiziert. Dann kamen so viele Menschen, da war so großes Interesse, dass wir spontan entschieden haben, daraus ein Netzwerk zu gründen, auch um auf das Know-how, das zusammengekommen war, zugreifen zu können. Es waren damals auch Spezialisten dabei, wie z. B. Angelika Simbriger, die langjährige Erfahrung mit Baugruppen hatte. Wir haben gesagt, wir gründen ein Netzwerk, um uns gemeinsam schlau zu machen. Wir kannten das ja nur aus anderen Städten.

Und ihr beiden… was war euer Ansatz?
A.S. Thomas Luczak und ich hatten mit unserem Büro Luczak Architekten den städtebaulichen Wettbewerb in Sülz gewonnen und damit das Thema der Baugruppen in Köln als erste in der Öffentlichkeit ins Spiel gebracht. Es gab zwar ein paar Gruppen, die das privat schon gemacht hatten, es war aber nicht öffentlich diskutiert worden. Mit Unterstützung der Bezirkspolitiker wurde Sülz zum Pilotprojekt. Und insofern ergab es sich selbstverständlich, das Büro Luczak war als Initiator mit dem Thema verbunden, und wir waren beide von Anfang an im Haus der Architektur aktiv, und so hat sich das zusammengefügt. Das Überraschende an dieser Veranstaltung damals war, dass so viele Leute gekommen waren. Damit hatte niemand gerechnet, und es wurde schlagartig klar, dass es einen riesigen Bedarf gibt. Und es war auch sofort klar, dass die vorhandenen Grundstücke nicht reichen würden und es einen Verteilungskampf geben würde. Wir haben gedacht, wenn jetzt schon so viele Interessierte da sind, nutzen wir die Gelegenheit und sammeln die Emailadressen ein. Dann hat man schon mal einen Pool von Leuten, die man weiterhin informieren kann. So entstand diese Netzwerkidee.
R.S. Meine Verbundenheit mit dem Thema war auch über das Gelände in Sülz entstanden. Ich habe ein Büro als Stadtplanerin und war von der Eigentümerin des Kinderheim-Geländes in Sülz (einer Tochtergesellschaft der Stadt Köln) beauftragt worden, den städtebaulichen Wettbewerb zu organisieren. Das Büro Luczak war einer der teilnehmenden Büros und ging als Sieger aus dem Verfahren hervor. Insofern kannte ich den Entwurf und die räumlichen Gegebenheiten und wusste auch, welche Grundstücke sich für Baugruppen eignen würden. Ich hatte sozusagen den stadtplanerischen Blick auf das Thema. Ich fand auch die Bedeutung von Baugruppen für so ein Quartier gut. Das war meine Motivation es weiterzutragen. Das Haus der Architektur ist dafür eine geeignete Bühne, ein Ort der Begegnung, wo man dem Thema stadtweit Bedeutung geben kann. Ich hatte keine Absicht, daraus Aufträge zu generieren, es war mehr der Gedanke, dass wenn man daraus eine Bewegung macht, man die Chance hat, politisch etwas bewegen zu können.
A.S. In der allgemeinen Literatur und in dem, was man so als Architekt las, gab es das Thema Baugemeinschaften u. a. in Süddeutschland. Bei uns gab es das viel zu wenig oder so gut wie gar nicht. Und dieses Projekt bot plötzlich die Chance, das in Köln auch zu machen. Und da wir uns theoretisch damit beschäftigt hatten und im Haus der Architektur damals das Thema Wohnen ein Hauptthema war, da war das Projekt in Sülz ein guter Aufhänger.

Habt ihr eine Vermutung woran es liegt, dass Köln da so hinterherhinkt?
R.S. Ich glaube, dass das sehr stark an Personen hängt. Und ich sag mal, hier war es auch nicht notwendig. In Tübingen, wo es ja mehr oder weniger von Andreas Feldtkeller entwickelt wurde, da hat man einen großen Teil der Stadt entwickeln müssen, weil da die ehemaligen Kasernenflächen frei wurden. Oder in Freiburg, da ist ein ganz großes Quartier, das Rieselfeld, neu entstanden. Solche großen Entwicklungsfelder gab es hier in Köln nicht. Da gab es Widdersdorf, was ungefähr zeitgleich entwickelt wurde, aber mit einem konventionellen Konzept, da war ja nichts Innovatives dahinter.

Der Beginenhof ist ja damals in Widdersdorf gebaut worden. Der Entwickler ist auf die Beginen zugegangen, die schon lange ein Grundstück suchten, und hat ihnen eins angeboten. Und um den Beginenhof zu realisieren, haben die Frauen eine eigene Genossenschaft gegründet.
A.S. Wenn ihnen damals in Sülz ein Grundstück angeboten worden wäre, das sie hätten bezahlen können, wären sie nicht nach Widdersdorf gegangen. Sie haben das dort gemacht, weil es keine andere Möglichkeit gab.

Jetzt hat sich das Netzwerk im Lauf der Jahre ja entwickelt. Seid ihr beiden noch aktiv, oder hat sich für euch eure Aufgabe sozusagen erledigt?
R.S. Erledigt hat sie sich nicht. Aber ich bin froh, dass sich Leute gefunden haben, die das Netzwerk jetzt weiterführen. Sie machen das unter einem anderen Schwerpunkt, und das ist auch gut so. STADTRAUM 5und4 versucht ja mit einer relativ großen Bewegung und einer großen Gruppe große Projekte zu entwickeln. Das halte ich für sehr zukunftsweisend, weil ich glaube, dass man mit bestimmten Investorengrößen konkurrieren muss, um erfolgreich zu sein. Mir ist aber schon wichtig, dass es weiterläuft. Aber ich habe es gerne abgegeben.
A.S. Wir waren als Büro Luczak Architekten mit zwei Projekten in dem Baugruppen-Wettbewerb in Sülz erfolgreich und haben die Häuser geplant. Und irgendwann gab es im Netzwerk die Diskussion: das kann ja nicht das letzte Projekt gewesen sein, wie kann man die Stadt davon überzeugen, noch weitere Grundstücke zur Verfügung zu stellen? Und da gab es die Idee über das Haus der Architektur Köln Gespräche mit den Dezernenten zu führen. Wir wurden dann zwar nett empfangen und alle fanden das auch ehrenwert, nur wurde uns auch ziemlich deutlich gesagt, dass sie sich nicht vorstellen könnten, dass in Köln eine Quote für Baugruppen eingeführt wird. Das haben wir mehrfach so gehört. Das ist natürlich schade. Im Vordergrund stand dabei: wenn überhaupt, brauchen wir mehr geförderten Wohnraum, und dafür haben wir das Kooperative Baulandmodell, da gibt es schon eine Quote. Und wenn wir jetzt noch eine Quote für Baugruppen machen, bleibt ja für den normalen Investor nichts mehr übrig. Deswegen ist es auf der Ebene des Freiwilligen geblieben. Man kann also immer nur hoffen, dass die Stadt sich entscheidet, irgendwo Grundstücke für Baugruppen zur Verfügung zu stellen.
Ich persönlich habe dann, weil ich zu wenig Zeit hatte, auf vielen Netzwerktreffen einzelne Interessierte zu informieren, dem Netzwerk angeboten, mich weiterhin an Gesprächen mit Politik und Verwaltung zu beteiligen. Ich mache konzeptionell in der Kerngruppe mit, aber nicht mehr in der alltäglichen Kerngruppenarbeit.
Jetzt gibt es ein neues interessantes Thema: die sog. Konzeptvergabe, die die Stadt Köln bei der Vergabe ihrer städtischen Grundstücke anwenden will. Dazu haben Regina und ich bereits zwei Diskussions-Abende im Haus der Architektur veranstaltet, auch vielleicht sogar ein paar Ideen einbringen können.


Konzeptvergabe ist das übergeordnete Instrument. Konzeptvergabe heißt, es kann auch dieses oder jenes Konzept sein, und es muss nicht das Konzept Baugruppen sein. (A.S.)

 

Findet ihr die Konzeptvergabe gut?
R.S. Ja auf jeden Fall.

Könnt ihr mal erklären, was es genau bedeutet?
R.S. Das bedeutet, dass die Kommune entschieden hat, ihre Grundstücke nicht mehr nach dem höchsten Preis, sondern nach dem besten Konzept zu vergeben. Künftig heißt es: wir haben hier ein schönes Grundstück, es gibt die und die Rahmenbedingungen, und die möchten wir erfüllt wissen, und wer uns zu diesen Rahmenbedingungen die besten Konzepte liefert, der hat die Chance, das Grundstück zu bekommen. Da gibt es dann bestimmte Kriterien, die sehr unterschiedlich sein können, das hängt vom Standort ab, von der Größe, der Lage, was auch immer. Und da können eben unterschiedliche Konzeptvorstellungen zugrunde gelegt werden, wie dass eine bestimmte Klientel angefragt wird, dass bestimmte Nutzungskonzepte ein Kriterium sind, oder auch bestimmte Mobilitätskriterien. Es ist ein guter Baustein, um Stadtentwicklung nachhaltig zu betreiben, wenn man nicht sagt, wir verkaufen Grundstücke immer nur an die fünf Investoren, die immer kommen.

Ersetzt dieses Verfahren der Konzeptvergabe eurer Meinung nach die Sache mit der Quote?
R.S. Nein, nicht unbedingt. Weil es sein kann, dass trotz der Konzeptvergabe letztendlich Baugruppen vielleicht nie eine Chance bekommen, weil andere Aspekte im Vordergrund stehen.
A.S. Sagen wir es mal so: die Konzeptvergabe ist das übergeordnete Instrument. Konzeptvergabe heißt, es kann auch dieses oder jenes Konzept sein, und es muss nicht das Konzept Baugruppen sein. Wenn ich es richtig verstanden habe, wird moderne stadt im Deutzer Hafen auch Konzeptvergabe anwenden und wird sicher bestimmte Grundstücke für Baugruppen ausschreiben. Baugruppen haben nur eine Chance, wenn sie eine eigene Vergabe haben, weil sie sonst immer ins Hintertreffen geraten. Ich denke, dass sich im Deutzer Hafen, oder auch bei der Parkstadt Süd, Vergaben für Baugruppen finden werden. Gut an der Konzeptvergabe ist, dass man den Grundstücksverkauf mit Zielen in Verbindung bringt und nicht nur mit Haushaltskonsolidierung. Das heißt im besten Falle, dass eine Diskussion angestoßen wird. Ich hoffe, dass die Konzeptvergabe nicht nur vom Stadtentwicklungsausschuss entschieden wird, sondern dass die Bezirke, wo sich die jeweiligen Grundstücke befinden, genug Mitspracherecht haben werden. Es geht darum, sich zu überlegen: was wollen wir an dieser Stelle mit dem Grundstück? Ein Integrationskonzept mit Geflüchteten, oder wollen wir dort mehr junge Familien haben, wollen wir dort ein Projekt für alte Leute haben, oder wollen wir eine autofreie Siedlung? Was auch immer. Es geht darum, inhaltliche Konzepte zu machen und nicht nur die „begehbaren Anlageobjekte“ zu bauen.

Der Begriff „moderne stadt“ ist schon öfter gefallen. Was heißt das?
A.S. Das ist die Stadtentwicklungsgesellschaft…
R.S. … eine städtische Stadtentwicklungsgesellschaft. Zu 49 Prozent gehört sie der Stadt und zu 51 Prozent dem Stadtwerkekonzern. Sie ist eine GmbH und unterliegt daher nicht den städtischen Vergabevorgaben bzw. dem öffentlichen Vergaberecht.

Die müssen auch nicht die Konzeptvergabe anwenden?
R.S. Nein, das auch nicht.

Noch was zu den Bezirken… die haben doch jetzt auch schon Mitspracherecht bei der Vergabe, oder?
A.S. Die Anregungen werden jedoch meist nicht umgesetzt. Angeblich hat die Bezirksvertretung Chorweiler noch nie irgendwas im Stadtentwicklungsausschuss durchsetzen können. Das erzeugt einen großen Frust. Bürgerbeteiligung im Allgemeinen ist im Moment ein großes Thema. In Köln aktuell durch die anstehende Verwaltungsreform, die Stadtstrategie, die entwickelt werden soll. Es gibt die Diskussion, dass die Bezirke mehr Eigenverantwortlichkeit haben sollen. Wir haben in Köln Bezirke mit über 100.000 Einwohner*innen, das ist bereits eine Großstadt. Es kann eigentlich nicht sein, dass hier nur zentral regiert wird.


Letztendlich geht es um Grundstücke, und das ist eben ein sehr umkämpfter Markt. (R.S.)

 

Wie schätzt ihr das denn ein, ist das Netzwerk nach wie vor in Köln wichtig? Und seht ihr auch die Möglichkeit, in Zukunft damit etwas bewegen zu können?
R.S. Ja. Das Netzwerk ist ja nicht (nur) das, was man im Internet darüber findet. Es besteht ja aus Personen, die sich sehr mit dem Thema auf ganz verschiedenen Ebenen beschäftigen. Es gibt einerseits ein monatliches Treffen im Kubus im Haus der Architektur (hdak), bei dem jeder mitmachen kann. Es ist kein Verein. Die Organisationsmöglichkeiten des Hauses der Architektur mit Emailverteiler und Raum eröffnet die Chance, dass man sich trifft. Und dieses Treffen ist das Entscheidende. Die machen andererseits verschiedenste Aktivitäten und zwar nicht nur den jährlichen Wohnprojektetag. Darüber hinaus versucht die Gruppe eben auch Grundstücke für Wohnprojekte oder Baugruppen zu finden. Pressearbeit wird gemacht, und es wird Neues ausprobiert, wie z.B. mit der Neugründung einer Genossenschaft. STADTRAUM 5und4 ist aus dem Netzwerk hervorgegangen.
A.S. Das Netzwerk macht auch Veranstaltungen außerhalb der Reihe des hdak. Da gibt es Vorträge zu Themen, die mit gemeinschaftlichem Bauen und Wohnen zu tun haben. Die bieten Information für Interessierte und Möglichkeiten, sich zu treffen, also den Netzwerkknoten, den es vorher überhaupt nicht gab.
Wir haben in den ersten Jahren versucht anzuregen, dass es, wie in München, Hamburg, Leipzig, oder auch in Bonn, eine Stelle bei der Stadt geben müsste, die für dieses Thema zuständig ist. Das Thema wurde dann jemandem im Stadtentwicklungsamt zusätzlich aufgebürdet, was nicht zielführend war. Es ist jedenfalls keine Aktivität, von der wir wissen, erfolgt. Wir haben als hdak von der Stadt Köln einmal einen Zuschuss bekommen für eine kleine Ausstellung über die Sülzer Baugruppenprojekte. Aber im Grunde genommen war die Stadt immer froh, dass das hdak die Aktivitäten aus eigener Kraft übernommen hat.

Das hört sich so zäh an, wie sich die Stadt da verhält.
R.S. Letztendlich geht es um Grundstücke, und das ist eben ein sehr umkämpfter Markt. Die Zurverfügungstellung von Grundstücken für Baugemeinschaften ist ja schon ein politischer Akt und eine Art von Unterstützung. Die Politik dahin zu kriegen ist extrem schwer. Weil es natürlich ganz viele andere gibt, die auch sagen, wir brauchen unbedingt ein Grundstück. Es gibt bestehende Genossenschaften, es gibt die GAG, es gibt die freie Wohnungswirtschaft, es gibt die Investoren, alle wollen sie Grundstücke und insbesondere die Grundstücke, die die Baugemeinschaften besonders nachfragen: zentral gelegen und gut erschlossen. Das ist natürlich auch ein echtes Hemmnis.
A.S. Ganz am Anfang wurden von der Stadt Köln ein paar Grundstücke zur Verfügung gestellt, sozusagen als Testballon. Das waren aber Restgrundstücke, die die Stadt sonst nicht losgeworden ist. Darauf hat sich dann niemand beworben, es war ein Flop.

Wann war das?
R.S. Das war nach dem Baugruppenprojekt auf dem ehemaligen Kinderheimgrundstück in Köln-Sülz. Nach der Euphorie trat Ernüchterung ein, weil da nur 6 Gruppen zum Zuge gekommen waren und es eben noch eine ganze Reihe frustrierter Gruppen gab, die keinen Zuschlag bekommen hatten, die auch gerne gewollt hätten. Zu dem Zeitpunkt hat das Stadtentwicklungsamt drei Grundstücke zur Vergabe online gestellt, eines in Godorf, eines in Porz und eines in Dellbrück. Alles waren schwierige Grundstücke, die bisher nicht vermarktet werden konnten. Und dass sich dann auch keine Baugruppe dafür interessierte, wurde wiederum als Argument benutzt, dass die Baugruppen ja alle ein bisschen elitär seien und die Bedarfe dann doch nicht so groß sind, wie wir sagen. Alle wollen eben die besten Grundstücke, und für bestimmte Gruppen kommen die zugleich besten nicht infrage, weil die einfach zu teuer sind.
A.S. In München gibt es auch ein Genossenschaftsprojekt, das außerhalb liegt. Wenn man eine Genossenschaft gründet und ein günstiges Grundstück haben will, da muss man auch wissen, dass das dann eben nicht in der Innenstadt sein kann. In Köln gibt es z. B. in Rondorf Nord-West eine riesige Entwicklung. Kurz bevor die Konzeptvergabe beschlossen worden ist, ist dieses unglaublich riesige Grundstück an private Investoren verkauft worden, an den Entwickler von Widdersdorf und die Aurelius. Von der Verwaltung wurde versprochen, dass hier nicht nur Einfamilienhäuser gebaut werden sollen, sondern dass es ein städtebaulich anspruchsvoll geplantes Quartier mit einer Mischung und auch gefördertem Wohnungsbau werden soll. Das ist natürlich ein Gebiet, in dem man sehr gut ein Gemeinschaftliches Wohnprojekt machen könnte. Nur glaube ich eher nicht, dass sich in der Szene jemand vorstellen kann, so weit draußen zu wohnen.


Man kann nicht erwarten, dass man aus der Position: wir haben uns jetzt gegründet und wir erwarten jetzt, dass ihr uns etwas bietet, dass man mit diesen Erwartungen an die Stadt oder an die Politik, erfolgreich ist. Garantiert nicht. (R.S.)

 

Noch eine andere Frage: Es gibt ja einige Gruppen, die sich seit Jahren treffen und auch schon viel besprochen und entschieden haben, und die sagen: was uns fehlt ist das Grundstück. Was würdet ihr so einer Gruppe raten?
R.S. Sich in den ganzen neuen Entwicklungsgebieten, wie zum Beispiel in Rondorf, umzutun oder auch in Mülheim, wo ja auch viel entwickelt wird. Und sich allseitig zu informieren, aber parallel nach Grundstücken zu suchen, die vielleicht ganz abseitig sind und nicht von der öffentlichen Hand vergeben werden, sondern die sonst jemand verkaufen will. Das ist natürlich schwierig, sich da reinzudenken als privat organisierte Gruppe. Da braucht man letztendlich einen Spürhund, einen Immobilien-Spürhund, der einem da auf die Sprünge hilft. Vielleicht kann man ja auch einen Makler beauftragen. Man kann nicht erwarten, dass man aus der Position: wir haben uns jetzt gegründet und wir erwarten jetzt, dass ihr uns etwas bietet, dass man mit diesen Erwartungen an die Stadt oder an die Politik, erfolgreich ist. Garantiert nicht.
A.S. Ich würde auch sagen, man müsste sich mal im Netzwerk engagieren. Klar, im Grunde sind diese Gruppen auch Konkurrenten, aber mich hat immer gewundert und auch ein bisschen enttäuscht, dass die anderen Architekten, die für die Baugruppen gebaut haben, die erfolgreich waren, sich im Netzwerk überhaupt nicht engagiert haben, das fand ich nicht gut. Man wartet ab, bis die nächste Vergaberunde kommt, und beteiligt sich wieder. Ich finde, die aktiven Wohnprojektgruppen sollten sich zusammentun und gemeinsam bei der Stadt eine Forderung stellen! Wenn nur eine Gruppe etwas fordert, ist sie halt nur eine Gruppe. Wenn aber eine Bewegung mit 10 Gruppen, die formiert sind, sagt: wir brauchen jetzt wieder eine Baugruppenvergabe auf irgendeinem Gelände!, dann hat das ein ganz anderes Gewicht.

Mir wird beim Zuhören so klar, wie eingeschränkt der Blick vieler Gruppen auf sich selbst und ihr eigenes Projekt ist. Und erst recht, wenn die Leute dann in ihrem Projekt wohnen, dann interessieren sie sich meistens überhaupt nicht mehr für das Thema. Es gibt ganz wenige und nur Einzelne, die den Blick haben, der über ihre eigenen persönlichen Interessen hinausgeht.
A.S. Dazu gehören Angelika Simbriger und Peter Heinzke, die seit vielen Jahren im Netzwerk aktiv sind. Es existiert inzwischen 8 Jahre, und es sind 2 Pilotprojekte realisiert worden. Man wird zwar nicht mehr ausgelacht, und der normale Mensch in der Stadtentwicklungspolitik weiß jetzt auch, was eine Baugruppe ist. Niemand glaubt mehr, die schaffen das nicht, man weiß jetzt: die schaffen das! Aber es ist halt nicht gelungen, so viel Druck aufzubauen, dass es zu etwas Verbindlichem geführt hätte. Also weder haben wir die Quote noch das Gefühl, dass die Stadt das Thema aktiv übernehmen will. Das haben wir bisher leider noch nicht erreicht.

Vielleicht sind jetzt auch andere dran. Bewegungen laufen ja üblicherweise so, dass einige das Thema anstoßen und irgendwann andere übernehmen. Ich würde gerne nochmal auf einen Punkt zurückkommen. Ich bin ja typisch für die Gruppe älterer Frauen, die auf der Suche sind und die kaum noch in bestehenden Gruppen unterkommen, weil das Kontingent älterer alleinstehender Frauen sofort voll ist. Jetzt könnte man ja sagen, die sollen sich zusammentun und ein eigenes Projekt machen. Aber das ist auch deshalb schwierig, weil in diesen Zusammensetzungen oft wenig Kompetenz zusammenkommt im Vergleich zu anderen Gruppen, die durchgemischt sind.
R.S. Dann würde ich sagen, dann muss man sich Kompetenz einkaufen. Es gibt da gute Dienstleister, die helfen können. Seien es jetzt Architekten, so wie die Almut, oder Leute aus dem Finanzsektor oder auch Makler. Kompetenz einkaufen! Wenn der ernsthafte Wille da ist, muss auch Geld angefasst werden. Da reicht es nicht, sich bei Café und Kuchen zu treffen.
A.S. Baugruppen möchten oft Mehrgenerationenprojekte sein. Und da junge Familien oft überhaupt keine Zeit haben, stoßen sie oft erst dazu, wenn ein Grundstück da ist. Eine Baugruppe, die wir in Sülz betreut haben, wollte unbedingt ein Mehrgenerationenprojekt werden, waren aber im Grunde eine ü50-Gruppe. Sie sind dann erstmal vorangegangen und haben sich, als es konkreter wurde, gezielt junge Familien gesucht. Und das hat auch funktioniert. Die jungen Familien haben ja auch Vorteile, mit Älteren zu leben.
Was ich auch wichtig finde ist, dass diejenigen, die dann ein Mal eine Wohnung haben, sich danach auch weiter engagieren. Leider sehen wir oft das Gegenteil. Das gilt besonders für die Eigentümer-Baugemeinschaften. Wo dann doch im Fokus steht, dass man die eigene Wohnung haben und dann vielleicht noch mit den Nachbarn nett zusammensein will. Aber die innovativsten Projekte, die wir auf unseren Exkursionen besucht haben, sind andere Projekte. Erstens oft größer und zweitens oft Genossenschaften. Sie haben ein inhaltliches Ziel, das über das eigene Wohnen hinausgeht. Es gibt ja auch die Kritik an den Baugruppen, dass das einfach nur die gebildete weiße Mittelschicht sei, die unter sich bleiben will und die soziale Mischung eben nicht gegeben ist. In dem Modell mit dem teuren Grundstück funktioniert es eben auch nicht anders. Und wenn man sich die schönen Genossenschafts-Projekte in München anguckt, leben sie auch davon, dass sie gemischt sind und auch geförderte Wohnungen anbieten. Wenn in Köln das kooperative Baulandmodell mit der Quote von 30 Prozent geförderten Wohnungen umgesetzt wird, kann das auch für Genossenschaften gelten. Gerade in der Gruppe älterer Frauen gibt es genügend Bedarf. Damit hat man auch nochmal ein anderes Argument bei einer städtischen Grundstücksvergabe. Einem privaten Grundstücksverkäufer wird das wahrscheinlich egal sein. Wir haben damals auf dem Clouth Gelände versucht, Herrn Streitberger davon zu überzeugen, dass wenn Baugruppen auch einen Teil an geförderten Wohnungen bauen, es die für das Gesamtgelände geforderte Anzahl reduzieren helfen könnte. Die Antwort war, dass die wenigen Wohnungen in den Baugruppen für die Quote nichts bringe. Und damit war das vom Tisch.
R.S. Wobei es letztendlich doch ein Argument zur Vergabe war, weil die Gruppen, die Mitglieder mit Wohnberechtigungsschein (WBS) hatten, nochmal 5 Extrapunkte bekommen haben. Insofern sind schon einige zum Zuge gekommen, die Mitglieder mit einem WBS in der Gruppe hatten. Ob die dann jetzt nach den sozialen Förderrechtslinien gebaut haben, das war dann nicht das Kriterium.


Die Stadt hat noch ganz andere Probleme, die braucht auch Flächen für Schulen, für Kindergärten, für Spielplätze etc. Das ergibt einen richtigen Verteilungskampf. Letztendlich geht es immer um die Bodenfrage. (R.S.)

 

Ist schon alles sehr interessant, was ihr erzählt, sehr komplex, finde ich.
A.S. Warum pilgern wir alle nach München und finden das toll, was die da machen? Warum lässt die Stadt Köln sich das eigentlich entgehen? Und wenn es nur eine kleine Ecke wäre in den großen Gebieten, um da irgendwas mit einem besonderen Projekt zu machen. Das kann, wenn man die richtigen Leute findet, die auch mehr initiieren wollen als nur ihre eigene Wohnung, dann kann das wirklich auch quartiersbedeutsam sein. Wenn es sozusagen von unten kommt und selbst initiiert ist, und wenn es dann funktioniert, hat es eine andere Qualität als irgendein Büro einer gemeinnützigen Organisation, die hin und wieder eine Beratung macht.
R.S. Meine These ist, dass Köln den Leidensdruck noch nicht hat. Dass hier in Summe die Mieten noch nicht so aus dem Ruder gelaufen sind, wie das in München oder Hamburg schon vor Jahren geschehen ist, so dass die Politik dagegen steuern und sich Konzepte ausdenken musste, um sozusagen Otto Normalverbraucher zu versorgen. Und dieser Leidensdruck ist in Köln noch nicht da. Auch wenn die Mieten hoch sind, vor allem im Neubau, und es auch starke Aufwertungstendenzen an vielen Stellen gibt, ist einfach der Wohnungsmarkt noch nicht so schlecht, dass die Politik verstehen würde, dass sie gegensteuern muß, auch im Bestand. Mit dem Kooperativen Baulandmodell steuern sie ja schon gegen, in gewisser Weise, mit dem 30 Prozent öffentlich geförderten Wohnungsbau. Aber die Stadt hat noch ganz andere Probleme, die braucht auch Flächen für Schulen, für Kindergärten, für Spielplätze etc. Das ergibt einen richtigen Verteilungskampf. Letztendlich geht es immer um die Bodenfrage.
München und Hamburg haben andere Entwicklungen hinter sich, die haben andere Rahmenbedingungen und können auch politisch anders agieren. München ist Landeshauptstadt, Hamburg ist ein Stadtstaat. Köln ist traditionell eine Arbeiterstadt, hat seit den 1920er Jahren in großem Umfang Genossenschaften, die auch heute noch einen großen Teil der Menschen behausen, die sich auch sonst nicht auf dem Wohnungsmarkt behaupten würden. Das ist ein Fundus, von dem wir in Köln immer noch profitieren, das ist vielen nicht klar, dass es das gibt und dass insofern die Wohnungsnot nicht zu vergleichen ist mit Hamburg oder München.
A.S. Das Kooperative Baulandmodell soll ja jetzt wirklich umgesetzt werden. Man konnte sich ja mit Ausnahmetatbeständen befreien, und ich glaube, es ist nur in einem von zehn Fällen, wo es eigentlich hätte angewendet werden müssen, umgesetzt worden. Es funktionierte also nicht. Und deshalb wird es jetzt geändert, man nimmt das jetzt ernster und sagt: wir wollen, dass dieser Anteil der geförderten Wohnungen auch bei den Grundstücken der Privaten umgesetzt werden muss. Und ich glaube, dass die Wohnprojekte eine Chance hätten genau dazwischen, zwischen den 70 Prozent frei finanzierten und den 30 Prozent geförderten Wohnungen, die, wenn es schlecht gemacht ist, unvereint nebeneinander stehen; das eine sind die Sozialwohnungen und das andere ist das andere. Da könnte der missing link ein Wohnprojekt sein, wo etwas zusammenkommt und vielleicht ein Treffpunkt oder Vereinsaktivitäten oder die Gemeinsamkeiten des Lebens realisiert werden könnte.
R.S. Ich glaube, dass es eine Chance gibt für solche Vorreiter-Wohnprojekte auf Grundstücken, die schwierig sind und ansonsten nicht gut zu vermarkten sind, weil sie irgendein Problem haben. Aber dadurch, dass die Gruppen sich Zeit nehmen und Profis selbst beauftragen, die auch ein bisschen anders denken, als nach den Standards des klassischen Wohnungsbaus, können komplizierte Grundstücke eine Chance sein, weil die häufig nicht so schnell entwickelt werden und weil sich an die so schnell keiner ran traut, eben weil es so kompliziert ist. Da muss man aber auch eine Menge Ahnung und Erfahrung und Wissen haben, und die richtigen Leute kennen, die einem auf die Sprünge helfen und diese Grundstücke finden. Das Problem ist einfach, die Investoren müssen momentan nicht auf unkonventionelle Modelle warten, denn die können im Moment alles verkaufen, die kriegen alles los, aber auch alles.
A.S. Deswegen gibt es derzeit gar keine schwierigen Grundstücke mehr. Denn da, wo gebaut werden kann, wird gebaut. Es ist die Aufgabe der Stadt, hier zu steuern. Sie hat ja einen großen Scan aller städtischen Grundstücke gemacht, woraus unter anderem auch die Wohnungsbauoffensive entstanden ist. Und eigentlich müsste die Stadt hier auch Wohnprojekte berücksichtigen. Meiner Meinung nach ist es eine Aufgabe der Stadtentwicklung, nicht nur zu überlegen, wie bauen wir Quadratmeter, sondern auch, was ist da eigentlich drin? Dazu kommt dann das nächste Thema, das mich derzeit sehr bewegt. Es kann nicht sein, dass wir nur Schlafstätten bauen. Andreas Feldtkeller hat das schon in den 90ern in Tübingen eindrücklich vorgemacht, leider hat das viel zu wenige Beispiele nach sich gezogen. Man muss wirklich darüber nachdenken: wie schafft man denn ein urbanes lebendiges Quartier? Nicht, indem ich Häuser nebeneinander stelle. Egal, ob es geförderte Wohnungen sind oder andere. Es braucht auch Gewerbe. Es gibt inzwischen genug Gewerbe, das nicht stört. Es muss einfach wieder mehr Mischung geben. Ich bin der Meinung, dass im Grunde ein Stadthaus im Erdgeschoss keine Wohnungen haben sollte. Ich glaube, dass man mehr Nutzungsmischung braucht, einfach auch um die Straßen als Treffpunkte zu beleben. Damit sollten sich auch Wohnprojekte beschäftigen, sich Kooperationen suchen mit gewerblichen Betreibern, die irgendwas Sinnvolles machen, ob es jetzt das Pflegebüro ist oder eine Kinderbetreuung oder ein co-working-space oder Ähnliches. Denn dadurch werden die Projekte doch erst richtig toll. Wie man an der Kalkbreite in Zürich sieht. Warum ist das so toll? Da ist ein Kino, da ist ein Laden, da ist ein Restaurant. So ist Stadt, so ist sie schön, so wollen wir sie alle haben.

Netzwerk für Gemeinschaftliches Bauen und Wohnen in Köln:
www.hda-koeln.de/netzwerk-fuer-gemeinschaftliches-bauen-und-wohnen
http://baugemeinschaften.hda-koeln.de

Regina Stottrop: www.stottrop-stadtplanung.de
Almut Skriver: WWW.LUCZAK-ARCHITEKTEN.DE

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