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Bettina Noesser, Mitinitiatorin der Genossenschaftsinitiative STADTRAUM 5und4 in Köln und Vorstand des Vereins in Gründung.

Zum Interview trafen wir uns am 12. Juli 2017 in Köln

 

 
 
Bettina Noesser

Hat es für dich einen bestimmten Impuls gegeben, was dein Interesse am Thema gemeinschaftliches Bauen und Wohnen angeht?
Der erste Impuls stammt aus meiner Kindheit und Jugend. Ich bin mit drei Geschwistern zusammen groß geworden, in einem sehr lebendigen Familienleben, und schon als Jugendliche habe ich das Leben in der Großfamilie propagiert. Ich fand das klasse.

Wie viele ward ihr?
Wir waren sechs, vier Kinder, Eltern, teilweise auch noch Oma. Im Architekturstudium in Stuttgart habe ich mich mit Partizipationskonzepten und ökologischem Bauen befaßt. Und dann hat sich das Thema „gemeinschaftliches Bauen“ über das Bauen in und für freikirchliche Gemeinden, die ja ihre Kirchen und Gemeindehäuser aus eigenen Mitteln teilweise auch in Eigenleistung selber bauen, fortgesetzt. Ich habe als Architektin einige Gemeindehausprojekte geleitet und war auch beteiligt als Mitglied einer Gemeinde, die gebaut hat.

Dann hast du als Architektin ja Erfahrungen damit, mit Gruppen zu bauen.
Ja, die habe ich inzwischen.

Stimmt das denn, was man immer so hört, dass es wahnsinnig anstrengend sei für Architekten mit einer Gruppe zu bauen?
Ich würde nicht von „wahnsinnig anstrengend" reden, aber es bedeutet natürlich eine Herausforderung. Solch ein gemeinschaftliches Projekt muss man in einer anderen Art und Weise argumentieren und spricht dabei direkt mit den betroffenen Nutzern, die natürlich ihre Vorstellungen haben. Ich empfinde das aber als einen großen Vorteil. Es ist Mehraufwand, wir müssen, zum Beispiel, abends zu Bauausschuss-Sitzungen, und es ist natürlich auch mal anstrengend, aber ich finde es im Vergleich zu anonymen Investoren-Projekten absolut von Vorteil, mit denen zu reden, die ein Gebäude später nutzen.

Würdest du sagen, dass dich die Zusammenarbeit mit den Gruppen, also mit den Nutzern und Nutzerinnen, als Architektin auch inspiriert?
Ja, insofern ich insbesondere in Gruppen eine Art kollektive Intelligenz erlebe, zu wissen, was nötig und wichtig ist. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass durch solche Schleifprozesse, wenn nicht alles glatt durchgeht, Lösungen sich durchaus verbessern können. Natürlich ist es auch frustrierend, wenn eine gute Idee nicht durchkommt. Aber Architekt und Bauherr müssen sich eben auch finden. Wenn der Funke überhaupt nicht überspringt, dann ist es nicht das richtige Projekt, dann passt man einfach nicht zusammen.

Hast du das schonmal erlebt?
Ja, durchaus, dass man die Frage nicht wirklich versteht, die gestellt ist. Das Unverständnis kann bei uns liegen oder auch beim Bauherrn, dass der einfach von einer bestimmten Vorstellung nicht weggeht und nicht bereit ist, etwas zu entwickeln und diesen Prozess zuzulassen. Ein Bauprojekt ist ein lebendiger Prozess, man hat eine Fragestellung und einen Ort, und man hat eine Idee. Das muss zusammenpassen. Und dann muss daraus langsam etwas aus den Köpfen bis ins Bauliche hinein materialisiert werden. Das ist Planung, ein kreativer und arbeitsintensiver gemeinsamer Prozess. Das macht nicht der Architekt allein. Von Planerseite ist es ein Team, und der Bauherr ist zu einem großen Teil mit dafür verantwortlich, was entsteht. Weil er durch Aufgabenstellung und Budget die Rahmenbedingungen festlegt, und auch durch das, was er an Entwicklung zulässt.


Die Atmosphäre von einem Projekt, die soziale, die ästhetische, das Material, alle diese Aspekte spielen eine Rolle.

 

Mich interessiert, wie das für dich losging mit STADTRAUM 5und4.
Unsere Kinder sind aus dem Haus und wir haben überlegt, wie wir in der neuen Lebensphase leben wollen. Wir haben einige Anläufe gemacht, gemeinschaftliches Wohnen zu versuchen…

…dein Mann und du?…
… ja, mit unserer Familie und mit Freunden. Das ist aber, aus unterschiedlichen Gründen, nie entstanden. In dieser neuen Lebensphase wollten wir es nochmal versuchen, und dann habe ich geschaut, was da in Köln eigentlich so los ist und habe das Netzwerk für Gemeinschaftliches Bauen und Wohnen entdeckt.

Wann war das?
Das war 2015. Das war kurz bevor auch Sascha Gajewski dazukam. Dort haben wir uns dann beide bei der Bürgerbeteiligung im Werkstattverfahren Parkstadt-Süd engagiert. Beim gemeinsamen Engagement für das Netzwerk haben wir gemerkt, dass wir ähnlich denken. Und dann hat er mich mit diesem Genossenschaftsvirus infiziert.

Das war wahrscheinlich nicht sehr schwierig, weil du ja diese Erfahrung mit den Freikirchen hattest.
Ja, aber ich hatte mir nie so viele Gedanken darüber gemacht. Aber es passte natürlich gut. Und ich hatte zugleich den Eindruck, dass diese kleinen Baugruppen, die damalige Haupt-Zielgruppe des Netzwerkes, sehr störanfällig sind und das gemeinsame Bauen schwierig, teuer, sehr aufwendig für sie ist. Zum Schluß werden oftmals aus Kostengründen die Gemeinschaftsräume noch geopfert.
Es muss noch eine andere Lösung geben, um das gemeinschaftliche Wohnen neu zu beginnen. Im Jahr 2016, als STADTRAUM die ersten kleinen Schritte machte, von 2 auf 6 Leute wuchs , habe ich mir viele Projekte angeschaut, insbesondere die jungen Genossenschaften. Da war ich in Zürich, in Wien, in München, in Gent. In Stockholm war ich dieses Jahr.

Alleine oder mit anderen?
Ich bin zum Teil mit der Cohousing- Gruppe, die Axel Köpsell organisiert, mitgefahren. Das war sehr beeindruckend für mich. Die Kalkbreite in Zürich ist unser Vorbildprojekt geworden. Das passte zu dem, was Sascha zum Thema Genossenschaft einbrachte und zu der Idee: Wir müssen größer planen und auch städtebaulich und architektonisch andere Akzente setzen.

Weißt du wie viele Wohnungen die in der Kalkbreite haben?
Die haben ungefähr 250 Bewohner in 50 Wohnungen mit ca.100 Wohneinheiten. Daran sieht man schon, dass auch innovative Wohnungstypen für Gemeinschaften enthalten sind.

Hast du dir Notizen gemacht, als du die verschiedenen Wohnprojekte besucht hast?
Ja, ich skizziere mir kleine Schemata und notiere die wichtigsten Stichworte.

Ich nehme an, du schaust dann mit dem Architektinnen-Blick, oder?
Ja. Aber der ist nicht nur rein baulich. Ich notiere mir, was mich in dem Fall besonders berührt – das sind oft auch atmosphärische Dinge.

Ist es so, dass die Eindrücke, die du dabei bekommst, dich bestärken?
Natürlich. Ich lese auch in Architekturzeitschriften über solche Projekte, aber es ist nochmal etwas völlig anderes, wenn man ein Gebäude dreidimensional sieht, drinnen ist, davor und drumherum geht. So ein Gebäude ist ja weit mehr, als eine platte Ansicht.
Wir sind heute einseitig auf Fotos, also auf zweidimensionale Fassaden-Optik ausgerichtet, weil unsere ganze Medienlandschaft so funktioniert. Aber eigentlich ist der Mensch nicht so. Die Atmosphäre von einem Projekt, die soziale, die ästhetische, das Material, alle diese Aspekte spielen eine Rolle. Das gibt eine ganz andere Energie, etwas mit allen Sinnen wahrzunehmen, zu hören zu riechen und nicht nur zu sehen.


Schon im Studium wollte ich herausfinden, was Schönheit eigentlich ist. Wie entsteht Schönheit als dynamische atmosphärische Qualität?

 

Hättest du als Architektin Lust, das Haus für STADTRAUM in Köln zu bauen?
Ja natürlich hätte ich das. Aber da wir ein großes Projekt machen wollen, ist es unrealistisch zu meinen, man könne das in einer internen Selbstvergabe regeln. Wir verstehen uns als bürgerschaftliches Projekt, das muss transparent sein, begründet und nachvollziehbar. Ich war in den freikirchlichen Gemeinden zum Teil Gemeindemitglied und zugleich Architektin. Es ist nicht unproblematisch, für die “eigene Familie“ ein Bauprojekt zu machen. Da muss man sehr gut abklären, wo die Verantwortung anfängt und endet und wie das mit der Haftung und der Bezahlung ist. Hier bei STADTRAUM 5und4 kommt nochmal die Größe dazu und vielleicht auch das Interesse der Stadt, z.B. einen Wettbewerb zu veranstalten. Dieser Aspekt ist übrigens auch wichtig; das Projekt soll eine hohe Qualität haben und die kriegt man über Wettbewerb.

Ich denke auch, das muss so sein, auch um dem Anspruch an Partizipation Rechnung zu tragen.
Ja. Ich bin dann mit meiner Kompetenz als Architektin auf Bauherrenseite, denn da braucht es ja auch kompetente Leute.

Jetzt bitte ich dich um eine spontane Antwort… was fällt dir als Erstes ein, was bei gemeinschaftlichen Wohnprojekten mit Gemeinschaftsflächen das wichtigste ist.
Ich habe gerade den Begriff „Atmosphäre“ im Kopf… auch was du vorher gefragt hast, was das Angucken von den Gebäuden angeht… ich glaube, dass wir als Menschen sehr atmosphärisch funktionieren. Da spüren wir viel, und das hat nicht nur ästhetische Aspekte. Ich reagiere stark auf Atmosphäre, nicht so sehr auf Technik, oder auf perfekte formale Ästhetik, das ist mir nicht so wichtig, das sehe ich dann auf den zweiten Blick. Ich meine die Atmosphäre der Offenheit, der Lebendigkeit, der Natürlichkeit, vielleicht auch des Überraschenden, wenn ich spüre, da ist eine lebendige neue Antwort auf eine aktuelle Fragestellung umgesetzt in Form, Raum, Atmosphäre und Material. In den Gemeinschaftsflächen wird das Herz eines Projektes spürbar. Insofern haben diese Flächen Priorität und dürfen nicht nur Restflächen sein, die keiner haben wollte.
Ich frage mich immer wieder, woran liegt das jetzt, dass ich das so und so empfinde. Schon im Studium wollte ich herausfinden, was Schönheit eigentlich ist. Wie entsteht Schönheit als dynamische atmosphärische Qualität? Welche Vorbilder gibt es, wie haben die das gemacht, und wie muss das heute sein? Jede Zeit sucht wieder ihre neuen Bilder. Wie weit hat Schönheit mit Inhalt zu tun? Ist Schönheit der Abglanz der Wahrheit? - wie das Mittelalter postuliert hat - und ich glaube, gar nicht so falsch damit liegt. Schönheit ist weit mehr als die reine äußerliche Form und für den Menschen sehr wichtig.

Da gibt es ja den Ansatz, dass die Form der Funktion folgen soll.
Genau. Das ist der Ansatz der Moderne, des Bauhauses. Der ist dann gut, wenn Funktion nicht nur funktionalistisch verstanden wird, sondern wenn es um einen weiten Funktionsbegriff geht. Man kann ja auch von einer ästhetischen Funktion sprechen, oder von einer sozialen Funktion, etc. Wenn man Funktion weit definiert, ist es gut. Wenn es zu eng definiert wird, führt es zu einem Funktionalismus, der sehr reduziert ist und sehr arm, so wie unser Städtebau sich nach dem Krieg leider entwickelt hat.


Gemeinschaft ist manchmal anstrengend und die Abgrenzung notwendig. Aber Gemeinschaft ist auch sehr inspirierend.

 

Wie findest du den Ansatz, dass die privaten Wohnflächen in einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt kleiner gehalten werden zugunsten der Gemeinschaftsflächen?
Das finde ich sehr wesentlich. Das Ökologische im Sinne von Energiesparen ist ja allen klar, was nicht heißt, dass es überall schon umgesetzt ist, aber das ist irgendwie Standard. Das Thema der jetzigen Zeit in Bauprojekten, und insbesondere auch bei gemeinschaftlichen Projekten, ist die Suffizienz.

… entschuldige, wenn ich dich unterbreche, aber kannst du bitte erklären, was mit Suffizienz gemeint ist?
Suffizienz heißt ungefähr: es genügt. Es gibt keinen richtig guten deutschen Begriff dafür. Eher die Frage: Was brauche ich wirklich, was genügt? Das kann die Technik betreffen, die Flächen, die Energie- und Stoffverbräuche, das Konsumverhalten, die Mobilität. Es geht weniger darum, sich hart zu beschneiden im Sinne von Verzichten, sondern darum, den Blick auf das zu richten, das zu stärken, was man wirklich wichtig findet, und das wegzulassen, was Ballast ist. In unserer Konsumgesellschaft haben wir viel Ballast, der uns sehr behindert, beengt, Geld kostet, Platz kostet, Lebenszeit kostet. Sich darüber klar zu werden, ist wichtig, und das kann man gemeinsam besser, als allein.
Suffizienz ist eine Lebensstilfrage und nichts, was man verordnen kann. Wir postulieren bei STADTRAUM Konzentration auf das Wesentliche und versuchen, mit weniger Quantität auszukommen und stärken dafür die Qualität. Ich bin ein großer Verfechter des Grundsatzes: Qualität statt Quantität.
Wir Deutschen verhandeln das Wohnen stark über die Quantität. Wir denken in Quadratmetern, je größer desto besser. Dabei ist das Wohnen gar nicht so sehr von der Größe abhängig, sondern von der Qualität der Fläche und davon, was sie mir tatsächlich an Nutzen ermöglicht und physiologisch gesehen: Ist sie angenehm? Ist es hell? Ist es warm? Ist die Luft gut? … die Akustik? Und vom Ästhetischen: Sind die Proportion, sind die Farben gut? Auf keinen Fall sollte man den Standard in der Qualität reduzieren, im Gegenteil. Ich würde sagen, da kommen noch baubiologische Aspekte obendrauf auf das, was wir sowieso schon als Standard im Wohnen haben. Aber ich würde die Quantitäten prüfen und alles rausschmeißen, was nicht nötig ist, und dafür einen Ersatz in den Gemeinschaftsflächen anbieten. Und diese Möglichkeit haben wir insbesondere bei Großprojekten. Die Synergieeffekte führen dazu, dass keiner auf etwas verzichten muss.

Kannst du bitte mal erklären, was ein Synergieeffekt ist?
Synergieeffekt heißt, wenn ich zum Beispiel alleine meine komplette Haustechnik vorhalten muss, mit Zentralheizung, Lüftungsgeräten und allem, was dazugehört, dann ist das pro Quadratmeter natürlich aufwendiger, als wenn ich eine ganze Siedlung versorge mit einer großen Pellet-Anlage oder mit Kraft-Wärme-Kopplung, also einem Motor, der Strom und als Abfallprodukt noch die Wärme erzeugt. Da habe ich einen Synergieeffekt. Die Technik arbeitet effizienter, ich habe nur eine Anlage und da hängen 50 Wohneinheiten dran. Das ist viel günstiger, als wenn Einzelne für ihr Haus ihr eigenes Teil kaufen, mit Energie füttern, warten, instand halten müssen. Ein anderes Beispiel: anstelle eines Gästezimmers in jeder Privat-Wohnung haben wir vielleicht bei 50 Wohneinheiten alle zusammen 2, oder auch 5, Gästezimmer.

Dasselbe wie mit den Autos… Carsharing, zum Beispiel…ich glaube ja, dass es in Zukunft überlebensnotwendig sein wird, Gemeinschaften zu bilden, um diesen Effekt herzustellen.
Ich denke das auch. Eigentlich hat mich schon vor 30 Jahren das Konzept der Kleinfamilie nicht überzeugt, weshalb ich ja so für die Großfamilie votiert habe und dafür ausgelacht wurde. Die Kleinfamilie funktioniert in vielerlei Hinsicht z.B. ökologisch, sozial, in Bezug auf Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit, gar nicht gut. Gleichzeitig ist sie aber seit vielleicht 100 oder 150 Jahren bei uns der Renner, so als gäbe es nichts anderes. Dabei gab es vorher immer viel anderes, und heute sehen wir als Gegenbewegung zum individualistischen Kleinfamilienkonzept die Suche nach neuen Gemeinschaftsformen. Ich halte das für überlebensnotwendig, wenn man es global betrachtet. Ökologisch ist ein Einfamilienhaus katastrophal. Der Flächen-, Ressourcen- und Energieverbrauch ist riesig und auch für Familien ist es nur 20 Jahre lang sinnvoll, solange die Kinder da sind. Danach funktioniert es auch wieder nicht, dann ist es eigentlich zu groß und nicht altersgerecht.


In der AG Wohnraum versuchen wir, die Menge an Dingen, die wir gerne tun würden, zu strukturieren und Schritt für Schritt zu gehen. Alle sind ganz wild aufs Grundstück-Suchen.

 

Wie siehst du persönlich auf Gemeinschaftsleben?
Ich brauche meinen Rückzugsbereich, räumlich und zeitlich. Gemeinschaft ist manchmal anstrengend und die Abgrenzung notwendig. Aber Gemeinschaft ist auch sehr inspirierend. Im Endeffekt würde ich dem immer den Vorzug geben. Es ist eine Frage der Organisation, mir meine Rückzugsmöglichkeiten zu erhalten, und mir klar zu werden, was ich möchte und brauche. Diese Selbstreflexion in Rückzugszeiten hilft mir, mich nicht zu sehr fremdbestimmen zu lassen.

Selbstreflexion nicht nur vorher, sondern immer wieder…
…genau, das ist ein dauernder Prozess. Es gibt immer wieder Enttäuschungsphasen, aber „Ent-Täuschung" heißt ja auch, dass eine Täuschung aufgedeckt wird, dass vielleicht ein Teil meiner Begeisterung auf einer Täuschung beruhte. Und dann heißt es, sie zu überwinden und sich neu auf den Prozess einzulassen. Oft ist es dieses Nachjustieren, genau wie im architektonischen Entwurfsprozess. Wenn meine Idee nicht angenommen, sondern in Frage gestellt wird, dann kann es auch dazu führen, dass die Idee in der weiteren Bearbeitung besser wird. Genau so kann eine Enttäuschung dazu führen, dass ich meine Haltung ändere und an die Realität anpasse und es dann erfolgreich wird.

Was du beschreibst ist ja im Grunde ein Entwicklungsprozess.
Ja. Genau.

Ich glaube, in einer lebendigen Gemeinschaft muss man Lust auf Entwicklung haben.
Genau. Man muss sagen, ich trau mich, und ich lass mich auf das Leben ein. Leben als ein Prozess, der immer, jeden Tag, jeden Moment der nächste Schritt ist in eine Offenheit hinein. Ich kann zwar gewisse Annahmen treffen aufgrund dessen, was ich kenne, aber ich muss auch zulassen und bejahen, dass etwas Neues entsteht. Das kann natürlich auch Angst und Unsicherheit auslösen. Deswegen finde ich gut, mich mit anderen gemeinsam zu entwickeln.

Du bist bei STADTRAUM in der AG Wohnraum, kannst du etwas darüber erzählen, was ihr so macht?
Es ist sehr schön zu sehen, wie die Gruppe wächst. Es kommen immer Neue dazu und bringen sich ein mit ihren Kompetenzen und Ideen und Fragestellungen. Das macht viel Freude. Wir versuchen, die Menge an Dingen, die wir gerne tun würden, zu strukturieren und Schritt für Schritt zu gehen. Alle sind ganz wild aufs Grundstück-Suchen. Gleichzeitig haben wir als Dachgenossenschaft noch ein paar Hausaufgaben zu machen, inhaltliche Dinge, die wir festlegen sollten, bevor wir mit einem konkreten Projekt beginnen. Wir wollen vorher Grundsätze erarbeiten für Belegungskriterien und für Suffizienzkriterien. Als Wohnraum AG ist unser Ziel, Vorschläge zu erarbeiten, was wir unter Suffizienkriterien verstehen und wie wir es angehen wollen. Und genau so wollen wir auch Vorschläge machen für Belegungskriterien, für eine gute Bewohner-Mischung, für innovative Grundrisse und Wohnformen, eben all das, was mit der Architektur zusammen hängt. Damit wir uns nicht, wenn wir ein konkretes Projekt in Angriff nehmen, darüber in die Haare kriegen und am Ende doch wieder der alles relativierende Individualismus dominiert.

Was ich interessant finde ist der Ansatz, jetzt schon zu überlegen, wie die Belegungskriterien sein sollen, wo noch gar nichts da ist, weit und breit kein Grundstück…
… ich glaube, dass es jetzt einfacher ist, weil es natürlich in dem Moment, wo es tatsächlich um ein konkretes Grundstück geht, sofort heißt, wer kriegt was, also Konkurrenz und Wettbewerb entstehen. Das macht ja auch nichts, es kann ja auch das Geschäft beleben, aber die zum Profil gehörenden Grundsätze und Inhalte müssen wir jetzt klären. Und wir können das auch nicht selbstherrlich von oben bestimmen, sondern wir werden das gemeinsam entscheiden, mit so Vielen wie möglich. Und damit haben wir dann einen gewissen repräsentativen Querschnitt als Grundlage für das erste Projekt.

 

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