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Brigitte Karhoff, u.a. Stadtplanerin, Geschäftsführerin WohnBund-Beratung NRW GmbH und Vorstand der Ko-Operativ eG NRW.

Wir trafen uns am 16. Oktober 2017 in Bochum zum Interview.

 

 
 
Brigitte Karhoff

Ich würde Sie gern zu Ihrem Arbeitsbereich hier bei der WohnBund-Beratung NRW fragen.
Ich bin Stadtplanerin, arbeite schon seit 1996 hier bei der WohnBund- Beratung NRW und bin in diesen Jahren überwiegend im Bereich der integrierten Stadtteilentwicklung unterwegs. Das heißt, ich kümmere mich um Stadtteile, die einerseits baulich verbessert werden sollen, aber immer auch eine Bevölkerungsstruktur haben, die so vielfältig und vom Einkommen so unterschiedlich ist, dass wir parallel zu baulichen Prozessen auch gucken, wie nehmen wir die Menschen mit bei dem, was in ihrem Stadtteil passieren soll. Wir schauen, was gefördert werden kann über bestimmte Programme, und auch was gibt es für eigene Ideen aus der Bevölkerung heraus für ihren eigenen Stadtteil.

Wer ist in dem Zusammenhang „wir“?
Damit meine ich wir als WohnBund-Beratung, die in der Regel von Kommunen beauftragt sind, um als Stadtteil-Management in Stadtteilen tätig zu werden. Oder der Auftrag lautet, erstmal ein Konzept zu stricken, was soll in einem Stadtteil überhaupt passieren, was hat der Stadtteil nötig, welchen baulichen Verbesserungsbedarf gibt es, was gibt es aber auch für soziale Stärken im Quartier, wo gibt es Anknüpfungspunkte, um ein Quartier ganzheitlich, das heißt sowohl baulich als auch ökologisch als auch mit den Menschen gemeinsam voranzubringen und damit auch lebenswert zu machen und auch als Arbeitsort zu entwickeln für Menschen, die dort wohnen und arbeiten. Und da stoßen wir natürlich unter anderem auch auf das Thema Nachbarschaftlich Wohnen.
Ich selber bin neben meinem Beruf auch schon immer engagiert und initiativ tätig im Bereich Vernetzung von Initiativen, die sich für eine gerechtere und lebenswerte Region oder einen Stadtteil oder auch ein Quartier engagieren. Ich habe in einer Doppelrolle einerseits als Mitarbeiterin der WohnBund-Beratung NRW, andererseits auch als Bewohnerin einer Arbeitersiedlung, die von Abriss bedroht war, die Initiative mit anderen ergriffen, um den Abriss zu verhindern. Und das haben wir getan, indem wir eine Genossenschaft gegründet haben und mit 250 Personen 68 Wohneinheiten in einer Denkmal geschützten Arbeitersiedlung angekauft haben.

Wann war das?
Das war 1998.

Und wo war das?
Das war in Oberhausen. Da hatten wir aber auch Rückenwind von der damaligen Internationalen Bauausstellung Emscherpark, die als regionales Strukturprogramm in der Emscherregion realisiert wurde und ebenso auch von Politik und anderen engagierten Menschen in Oberhausen, die haben mit dafür gekämpft, dass der Erhalt dieser Siedlung gelingen konnte.

War das Ihre erste persönliche Erfahrung mit Genossenschaft, damals Ende der 90er Jahre?
Ich war schon länger mit Projekten und Initiativen und damit auch neuen Trägermodellen befasst, die mehr Selbstverantwortung und Eigeninitiative in Stadtteilprojekten ermöglichen. Ich habe während meines Studiums in den 80er Jahren in Berlin bei der behutsamen Stadterneuerung der Internationalen Bauausstellung (IBA „Alt“) dort mitgearbeitet. Da gab es viele besetzte Häuser, und es ging schon darum, wie kann man die Lebenswelt dieser Menschen, die Häuser angesichts der Wohnungsnot besetzt haben und damit darauf aufmerksam machen wollen, wie kann man da neue Trägermodelle realisieren, und die selbstorganisierte Wohn- und Lebensform jenseits klassischer Verwertungsinteressen im Immobilienbereich unterstützen und tragfähig machen und langfristig auch erhalten.

Waren Sie selbst auch Hausbesetzerin?
Ja, ich habe während meines Studiums bei einer Hausbesetzung in Dortmund mitgemacht. Als wir studiert haben, war die Wohnungsnot riesig, und als Raumplanungs-Studentin und politisch Engagierte war ich dann schnell in einer Szene, die sich um das Thema Wohnungsnot gekümmert hat. Es ergab sich dann die Situation, dass eine IG-Metall Tagungsstätte abgerissen werden sollte, weil sie angeblich nicht mehr den Standards der Besucher entsprach und man nur noch Einbettzimmer haben wollte - da waren aber lauter Zweibettzimmer. Das fanden wir damals total sinnlos, dass dieses tolle Gebäude abgerissen werden sollte. Man kann auch bei Seminarangeboten in Zweibettzimmern, glaube ich, gut klar kommen. Naja, jedenfalls sollte es abgerissen werden, und ist es dann auch. Aber in der Zeit, in der wir es besetzt hatten, konnten wir mit vielfältigen Aktionen auf die Wohnungsnot aufmerksam machen.

 


Kann man nicht von den Erfahrungen der Projekte, die schon realisiert wurden, profitieren und es für andere Menschen leichter machen, ein ähnlich tolles Projekt auf den Weg zu bringen?

 

Was die Landesberatungsstelle für innovative Wohnformen (LiW) hier in Bochum angeht, wer ruft bei Ihnen an? Und mit welcher Fragestellung?
Wir haben hier eine Beratungsstelle für den Bereich Westfalen, die Anlaufstelle ist für Einzelpersonen, für schon bestehende Gruppen, oder auch für Wohnungsgesellschaften oder auch Kommunen. Das ist die vom Land finanzierte Landesberatungsstelle für innovative Wohnformen. Und da ruft z.B. eine einzelne Person an, die für sich ein Projekt sucht, eine bestehende Gruppe, die schon seit 3 Jahren überlegt, wie sie ein Projekt auf die Beine stellten können, bis hin zu Akteuren, die die Idee gut finden und fragen, wie kann ich als Investor, wie kann ich als Kommune, wie kann ich als Wohnungsunternehmen solche Projekte befördern.
Das ist ein Part, den wir übernehmen. Zusätzlich haben wir mit Horst Hücking und Micha Fedrowitz noch zwei Projektentwickler und Berater, die ganz konkret Projekte von A bis Z beraten und unterstützen und auf ihrer Reise begleiten. Da geht es erstmal darum zu konkretisieren, was wollen wir? Können wir als Gruppe überhaupt etwas gemeinsam entwickeln? Das ist ja auch wichtig herauszufinden, bin ich richtig in der Gruppe? Ist die Gruppe richtig für mich? Wollen wir als Gruppe überhaupt in eine Richtung wandern, oder suche ich mir eine andere Gruppe für meine Idee? All diese Findungsprozesse sind ganz wichtig. Aber genau so wichtig ist immer, dass ich als Gruppe ein geeignetes und bezahlbares Grundstück, ein Gebäude, eine Finanzierung, eine Rechtsform und so weiter finde.

 


Wichtig ist, dass die Gruppe als Gruppe funktioniert und auch weiß, was sie will und wohin sie will.

 

Es gibt ja auch ein Landesbüro für Innovative Wohnformen NRW in Köln. Dieses Büro ist für das Rheinland zuständig, und dort habe ich erfahren, dass die Erstberatungen kostenlos sind. Ist das hier auch so? Und wie ist es mit den Beratungen, die Herr Hücking und Herr Fedrowitz darüber hinaus anbieten?
Wir können eine Einstiegsberatung über das Landesbüro für Innovative Wohnformen machen, so wie in Köln auch. Wir sind auch immer für Erstgespräche ganz unverbindlich da und können Gruppen oder auch Einzelpersonen unterstützen. Aber irgendwann kommt es natürlich, wenn es wirklich an die Projektentwicklung und an die konkrete Beratungsarbeit geht, zu einem Vertrag. Wir sind kein gemeinnütziger Verein. Wir sind ein Unternehmen, das über Aufträge lebt, und wir müssen Geld einnehmen.

Dann wäre Ihr Angebot für Projektentwicklung vergleichbar mit anderen ProjektentwicklerInnen, die auf dem Markt unterwegs sind?
Genau. Es gibt Orientierungsgespräche, und irgendwann kommt es dann zur Vereinbarung, wir arbeiten gemeinsam weiter oder eben auch nicht.

Und jetzt würde ich Sie gern zur Ko-Operativ eG NRW befragen, der Dachgenossenschaft, die Sie gerade gegründet haben.
Wir beraten seit Jahren viele viele Einzelprojekte, die zum Teil eine eigene Trägerschaft gründen, in Form von Genossenschaften. Oder es gibt auch andere, die das Syndikats-Modell übernehmen, oder es gibt Projekte, die sagen, wir suchen uns lieber ein Wohnungsunternehmen und machen nicht alles selber. Wir haben bei den vielen Projekten, die wir über die Jahre begleitet haben, und auch aus eigener Erfahrung sehen können, dass viele Projekte, wenn sie ein Mal auf dem Weg vorangekommen sind und ihr Vorhaben realisiert haben, sagen: Jetzt wohne ich hier in meinem Projekt, jetzt geht es mir gut, jetzt habe ich erreicht, was ich erreichen wollte.
Mögliche Weiterentwicklungen, was nächste Projekte angeht oder was ein Grundstück in der Nachbarschaft angeht, was auch entwicklungsfähig wäre, das interessiert jetzt nicht mehr. Wir wollen jetzt hier einfach wohnen!
Wo wir immer sagen: Wie schade, dass alle Projekte einzelne Modellprojekte bleiben. Kann man nicht für viele andere Menschen Ähnliches auf den Weg bringen? Kann man nicht von den Erfahrungen der Projekte, die schon realisiert wurden, profitieren und es für andere Menschen leichter machen, ein ähnlich tolles Projekt auf den Weg zu bringen?


Beratung allein reicht nicht!

 

Ich erlebe oft, dass einzelne Bewohner und Bewohnerinnen aus bestehenden Wohnprojekten zu denen, die noch mit Planen unterwegs sind, sagen: Ihr könnt uns fragen, wir geben Euch Tipps, wir beraten Euch gerne!
Ja, aber Beratung allein reicht nicht! Man muss es anpacken und umsetzen und auf den Weg bringen. Für uns war der Impuls, dass wir immer mehr gesehen haben, die einzelnen Projekte sind nicht diejenigen, die dafür sorgen, dass sich dieser Ansatz vervielfältigt. Wir haben gesagt: Nehmen wir nochmal unsere Erfahrungen und unser Know-how und gründen einen Träger für die Gruppen, die allein nicht bereit oder in der Lage sind, eine eigene Trägerschaft für ihr Wohnprojekt zu gründen.

Jetzt gibt es zum Beispiel eine InitiativGruppe, sagen wir in Köln oder Bonn oder Düsseldorf, die gerne genossenschaftlich bauen und wohnen will, aber noch kein Grundstück hat und auch keine eigene Genossenschaft gründen will. Wäre das dann die Initiative, die bei Ihnen richtig wäre?
Genau. Das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit zu sagen, die Gruppe schlüpft unter das Dach der Dachgenossenschaft. Die Gruppe muss aber trotzdem schauen, dass sie als Gruppe selbständig das Projekt von A bis Z umsetzen kann. Das heißt, die Gruppe muss das Geld zusammenbringen, um ein Grundstück ankaufen zu können, die Dachgenossenschaft ist nicht ein Träger, der Geld hat, um das Projekt zu stemmen. Das Dach bietet fachliche Unterstützung und Beratung, auch praktische Unterstützung im laufenden Betrieb, aber die Gruppe selbst muss nach wie vor selbständig agieren können und soll das auch im Sinne der Entwicklung und Finanzierung ihres Projekts.
Die Entlastung besteht darin, dass sie als Gruppe keine eigene Rechtsform gründen muss. Sie bleibt selbstverantwortlich für ihre Finanzen, ihr Grundstück und ihre Gebäude. Aber Eigentümer des Grundstücks und des Gebäudes wird die Dachgenossenschaft, in der alle Bewohner*innen Mitglied und damit Mieter*in und Eigentümer*in des Dachgenossenschaftsbestandes sind.

 


Wichtig ist für uns die soziale GemeinwohlOrientierung, die ökologische Orientierung, dass sparsam mit Grund und Boden umgegangen wird, dass natürlich eine gemeinschaftliche Orientierung da ist.

 

Welche Möglichkeit hat denn dann eine Projektgruppe, Einfluss auf die Dachgenossenschaft zu nehmen? Und was kostet der Service, den die Dachgenossenschaft anbietet?
Es ist so, dass die Gruppe selbst bestimmen kann, welchen Service und welche Angebote sie von dem Dach in Anspruch nehmen will. Es gibt lediglich die Vereinbarung, dass alle, die in die Projekte einziehen, auch Mitglieder der Genossenschaft werden. Und die Verwaltung der einzelnen Projekte wird auch durch die Ko-Operativ eG übernommen. Mit Verwaltung ist gemeint: Betriebskostenabrechnung, Mietabrechnungen, Buchhaltung, der ganze laufende Betrieb. Aber auch da kann jede Gruppe entscheiden, in welcher Weise und in welchem Umfang Teilbereiche der Verwaltungsaufgaben auch ehrenamtlich übernommen werden..

Und wie ist es mit den Genossenschaftseinlagen, sind die für alle gleich?
Die hängen von den einzelnen Projekten ab. Es gibt ja Projekte, die sind teuer, weil sie hohe Grundstückspreise haben, weil die Gruppe sich möglicherweise im baulichen Bereich mehr leisten will und kann. Die Gruppe muss ihr einzelnes Projekt finanzierbar machen und bekommt von der Dachgenossenschaft unter anderem auch Unterstützung bei der Beantragung von z.B. sozialen Wohnraumfördermitteln. Es gibt Wohnraumfördermittel, um eben auch für Einkommensgruppen, die nicht in der Lage sind, hohe Mieten zu zahlen, Fördermittel zu beantragen, und die würde auch die Dachgenossenschaft beantragen.
Die Projekte entscheiden nach wie vor selbst, mit welchem Projektentwickler sie zusammen arbeiten wollen. Und auch natürlich mit welchem Architekten oder mit welcher Architektin sie zusammenarbeiten. Erstmal ist die Grundstruktur ganz einfach, nämlich, dass die Gruppe selber die Entscheidung trifft, ich will jetzt als Gruppe nicht eine eigene Genossenschaft gründen, einen eigenen Träger, sondern ich will unter das Dach der Dachgenossenschaft schlüpfen, die als Genossenschaft schon eingetragen ist, die auch Mittel beantragen kann für Förderung und über umfangreiches Know-how verfügt.

Und für jede Gruppe, die dazu kommt, gilt die Satzung der Dachgenossenschaft.
Genau. Die Satzung ist offen gestrickt. Aber die Belange und die Ziele der Gruppe müssen schon dazu passen. Wichtig ist für uns die soziale GemeinwohlOrientierung, die ökologische Orientierung, dass sparsam mit Grund und Boden umgegangen wird, dass natürlich eine gemeinschaftliche Orientierung da ist. Aber das sind Dinge, die mit Inhalt gefüllt werden müssen, wo das Dach nicht vorgibt, so soll das im Detail aussehen. Eine Gruppe kann selbst entscheiden, ob sie jetzt ein Passivhaus realisieren will, oder ob sie drei oder nur einen Gemeinschaftsraum realisieren will, ob sie Wohnen und Arbeiten miteinander verknüpfen will oder nicht, das ist nach wie vor Sache der Gruppe. Das Dach versteht sich als Entlastungsstruktur und nicht als rigide Eingriffsmöglichkeit, um Gruppen zu sagen, das dürft ihr machen und das dürft ihr nicht machen. Sondern es ist eine Unterstützungsstruktur, um Projekte zu entlasten von vielen Aufgaben, die auch oft ablenken und der Gruppe viel Energie nehmen, die sie eigentlich bräuchte, um das gemeinsame Zusammenleben zu gestalten.

 


Wir haben ja auch Vorläuferprojekte, die schon seit Jahren zeigen, dass Dachgenossenschaft ein guter Weg sein kann.

 

Als Sie die Dachgenossenschaft gegründet haben, hatten Sie da schon ein erstes Projekt?
Wir kennen ja die Projektlandschaft, und insofern kennen wir auch den Bedarf. Wir haben die Genossenschaft im letzten Jahr im Oktober 2016 gegründet und wussten natürlich, dass es Gruppen gibt, die nicht alle eigene Träger auf den Weg bringen wollen. Auf der anderen Seite steckt da auch das Ziel hinter, dass wir selber als Gründerinnen und Gründer dieser Dachgenossenschaft auch eigene Ideen und Vorstellungen von Stadtteilentwicklung und Wohnprojektentwicklung befördern und unterstützen wollen, da wo wir den Eindruck haben, dass die klassischen Investoren und Träger oder Kommunen nicht unbedingt Garanten dafür sind, dass Zielgruppen, z.B. Flüchtlinge, ansprechenden und bezahlbaren Wohnraum finden, dass engagierte Gruppen mit ihren Zielen für ein gemeinschaftliches Wohnen, Arbeiten und Leben Grundstücke oder Wohnraum finden, um ihre Ideen zu realisieren. Wir meinen, dass wir mit dem Erfahrungsschatz, den wir haben, auch mit den Kenntnissen, die wir mitbringen, Projekten Unterstützung geben können, die alleine nicht in der Lage wären, so etwas auf den Weg zu bringen. Oder aber dass wir auch Impulse geben können für die Deckung von Bedarfen, aber noch ohne vorhandene Projektgruppen. Das ist auch ein Ziel, was wir verfolgen, dass wir Lösungsansätze für ein soziales Wohnen und Leben im Stadtteil entwickeln wollen. Zum Beispiel erleben wir in Stadtteilen immer wieder, dass Infrastrukturen eher zurückgefahren werden. Viele Kirchengemeinden müssen leider ihre Kirchengebäude schließen, viele Kulturangebote müssen angesichts von Engpässen bei kommunalen Haushalten zurückgefahren werden. Unsere Idee ist praktisch die Kernidee von Genossenschaften: Wir tun uns zusammen, um gemeinsam etwas hinzukriegen, was einer allein nicht schafft.

Ich habe mal gehört, man könne erst dann eine WohnungsGenossenschaft gründen, wenn man ein Grundstück oder ein Objekt hat. Stimmt das?
Nein. Das stimmt nicht. Wir haben die Genossenschaft gegründet, und wir haben noch kein Grundstück erworben. Das erste Projekt wird jetzt voraussichtlich im November ein Grundstück kaufen, also die erste Gruppe wird dann losmarschieren. Genau das ist lange eine Schwierigkeit für Genossenschaftsneugründungen gewesen, da das Land bzw. Banken anfangs gesagt haben, wir müssen eine sogenannte Bonitätsprüfung für Projekte durchführen, aber auf der Basis von noch nicht realisierten und eben zum Teil noch nicht vorhandenen Grundstücken. Und das ist die große Schwierigkeit.
Die Ko-Operativ eG in Gründung hat den Hintergrund, dass sie deutlich machen kann, dass es die ersten drei Gruppen gibt, aber diese sind noch nicht so weit, dass die Dachgenossenschaft etwas käuflich erworben hat, aber dennoch haben wir die Hülle der Genossenschaft gegründet.

Die Genossenschaft ist noch nicht eingetragen…
…wir sind kurz davor (Inzwischen ist sie seit dem 3. November 2017 eingetragen). Es gab noch eine Satzungsänderung, die jetzt berücksichtigt werden muss, und dann gehen wir davon aus, dass es klappt. Wir haben ja auch Vorläuferprojekte, die schon seit Jahren zeigen, dass Dachgenossenschaft ein guter Weg sein kann.
Wir maßen uns mit diesem Modell der Dachgenossenschaft auch nicht an, dass wir sagen, das ist der allein selig machende Weg, sondern das ist eine Möglichkeit und ein Angebot. Für diesen Weg gibt es gute Beispiele in Hamburg mit der Dachgenossenschaft Schanze, in München gibt es die Wogeno, die ganz tolle Projekte macht trotz eines ganz schwierigen Wohnungsmarktes, die inzwischen auch erreicht hat, dass sie als Genossenschaft von der Kommune Erbgrundstücke zur Verfügung gestellt bekommt, weil klar ist, man braucht bezahlbaren Wohnraum und man muss die Zugänglichkeit zu Grundstücken auch für solche Genossenschaften verbessern, die sich diese Zielgruppen auf die Fahne geschrieben haben.

Würden Sie sagen, dass die Gruppen, die auf Sie zukommen, um unter das Dach der Ko-Operativ eG zu schlüpfen, einen eigenen Verein gründen sollten?
Nein. Das kann sinnvoll sein, weil es viele Projekte gibt, die neben dem Wohnen auch noch gemeinnützige Zwecke verfolgen wollen, weil sie zum Beispiel eine Versorgungsstruktur oder ein kulturelles Angebot auf den Weg bringen wollen, oder gemeinnützige Ziele verfolgen wollen, wo es auch Sinn macht, sich gemeinnützig zu organisieren. Das ist aber keine Voraussetzung.

 


Wir hoffen natürlich, dass wir mehr junge Leute für die Idee begeistern können und Aktivisten finden, die die Idee mit nach vorne bringen.

 

Ich finde, dass Sie mit Ihren Möglichkeiten von Beratung und Begleitung und jetzt auch der fertigen genossenschaftlichen Rechtsform ein wunderbares Angebot für Gruppen bereithalten.
Das ist ein wunderbares Angebot, aber wichtig ist, dass die Gruppe als Gruppe funktioniert und auch weiß, was sie will und wohin sie will. Wir sind jetzt kein Wohnungsunternehmen, das einer Gruppe offeriert, wir bauen für Euch 20 Wohnungen, ihr müsst nur noch einziehen. Also da sind wir die Falschen. Dafür muss man sich ein Wohnungsunternehmen suchen, die offen genug sind für solche Gruppen und sagen, wenn ihr nachbarschaftlich wohnen wollt, super! Wir geben euch ein Belegungsrecht für Neubau oder in einem Bestandsbereich. Die Gruppen, die wir unterstützen wollen, sind Gruppen, die selber tatsächlich mit viel Eigeninitiative daran geht.

Woran merken Sie, ob die Gruppe, die sich an Sie wendet, erfolgreich sein wird mit dem, was sie vorhat, oder eher nicht?
Jede Gruppe ist dadurch gekennzeichnet dass es einen harten Kern von Leuten gibt, denen wir zutrauen, dass sie tatsächlich so ein Projekt stemmen. Da verlassen wir uns auf unser Erfahrungswissen, um zu erkennen, ist das wirklich tragfähig oder nicht. Und es gibt auch im Projektverlauf immer wieder Stufen wo deutlich wird, funktioniert das oder trägt das gar nicht. Wenn die Kerngruppe nicht tragfähig ist, dann würden wir sagen, lassen Sie lieber die Finger davon.

Und wie groß sollte ihrer Meinung nach ein Kerngruppe sein?
Meine Erfahrung ist, dass das oft drei oder vier Personen sind, nicht mehr. Die treibende Kraft ist oft eine kleine schlagkräftige Gruppe. Aber manchmal gibt es auch Gruppen, die haben 5, 6, 7 oder 8 solcher Leute. Aber es gibt auch Gruppen, wo es nur 2 oder 3 sind.

Ich würde gerne noch auf das Thema Solidarität zu sprechen kommen. Die Ko-Operativ eG hat ja auch die Idee, so habe ich gelesen, dass Sie im Lauf der Zeit einen Solidartopf anlegen, aus dem Sie Menschen finanziell unterstützen, die aus eigener Kraft nicht genug Geld aufbringen können. Wie wollen sie diesen Topf füllen?
Die Grundidee ist, dass man einen Solidartopf schaffen kann über die monatlich zu zahlende Miete. Und das soll von vorne herein Bestandteil der Projekte sein. Man hat natürlich die Situation, dass man sagt, in der Anfangsphase brauchen die Projekte ihr Geld für sich, aber die Vereinbarung, dass ab einem zu vereinbarenden Zeitpunkt ein Solidaranteil gezahlt werden soll, möchten wir von Anfang an verankern. Ich bin auf Bundesebene vernetzt mit ganz vielen Genossenschaftsprojekten von Hamburg bis München, und es gibt viele, die führen eine Diskussion über Mietreduzierungen, wenn Darlehen für den Bau oder Umbau zurückgezahlt sind. Das kann man aus der Sicht des einzelnen Projekts verstehen, aber es gibt auch Leute, die haben ein gutes Einkommen, und die könnten sagen, ich leiste mir den Luxus und gebe von dem Geld etwas ab, um solche Ideen wie das, was wir hier auf den Weg gebracht haben, auch an anderer Stelle zu ermöglichen. Das aber kriegt man oft nicht hin. Die Projekte sind teilweise so auf sich selbst und ihre persönliche Befindlichkeit ausgerichtet, dass wir dann immer fassungslos davorstehen und sagen, das kann doch nicht sein, dass diese ursprüngliche Idee von Miteinander und solidarischem ZusammenWohnen nicht auch für andere Wirklichkeit werden soll.

Das ist ein interessantes Phänomen, finde ich. Die Ichbezogenheit wird irgendwie erweitert, und dann wird die Gemeinschaft des eigenen Wohnprojekts einfach zum vergrößerten Ich.
Genau. Und die Ausrichtung auf das Gemeinwohl wollen wir von vorne herein klarstellen, weil wir genau wissen, das kann an einen solchen Punkt kommen, und es ist vielleicht auch legitim, dass Leute sagen, ich habe das Projekt für mich gemacht, ich habe da so viel ehrenamtliche Kraft reingesteckt, warum soll ich jetzt auch noch solidarisch mit anderen sein, es reicht doch, wenn ich innerhalb meines eignen Projektes solidarisch bin. Den Sprung wollen wir mit der Ko-Operativ eG ermöglichen, dass dieses Prinzip von Solidarität von vorne herein auch mitgetragen wird. Und Projekte, die das nicht mit tragen wollen, sind auch nicht richtig unter dem Dach der Ko-Operativ eG.

 


Das Projekt selber muss schauen, dass die Finanzierung eigenständig auf den Weg kommt, aber es würde ein Dach durch die Ko-Operativ eG zur Verfügung gestellt werden.

 

Ich wollte Sie noch fragen, was Sie tun, um die Genossenschaft bekannt zu machen. Haben Sie Veröffentlichungen? Gehen Sie ins Fernsehen? Ins Radio…?
Sie wissen ja, wir machen das mehr oder weniger alles als Überzeugungstäter ehrenamtlich. Wir haben aber in unserem Aufsichtsrat und Vorstand ganz aktive Ideengeber und Aktivisten, die uns von vorne herein gesagt haben: Wir sind alles alte Säcke, und wir brauchen junge frische Ideen. Und wir haben jetzt als Ko-Operativ eG unter dem Dach des Wohnbund e.V. ein Stipendium für junge „Stadtfinder“ ausgeschrieben. Das läuft jetzt seit dem 10. Oktober, ist also wirklich noch ganz neu. Und darüber machen wir auch für die Ko-Operativ eG eine große Öffentlichkeitsarbeit. Wenn Sie junge Leute zwischen 20 und 30 kennen, die auch solche projektgetriebenen Ideen haben für die Entwicklung von Stadt oder Wohnprojekten, dann können die sich gerne beteiligen.

Das ist ja ein Supertrick, den Sie sich da ausgedacht haben, da die meisten WohnProjektGruppen von Älteren vorangetrieben werden, die irgendwie darauf warten, dass Jüngere dazukommen.
Wir hoffen natürlich, dass wir mehr junge Leute für die Idee begeistern können und Aktivisten finden, die die Idee mit nach vorne bringen. Wir haben ja auch die Internetseite, und die Wohnprojekte, die an uns herantreten, das sind im Moment reine Selbstläufer. Dafür brauchen wir gar keine Werbung zu machen. Der Bedarf ist riesig.
Was mein Antrieb ist, das sind Stadtteilprojekte. Ich will neben dem Wohnen auch für Stadtteile genossenschaftlich organisierte Projekte mit auf den Weg bringen. Vor dem Hintergrund, dass eben viele Infrastruktur Angebote in den Stadtteilen eher zurückgehen. Der Bedarf ist aber eigentlich riesig an Bildung, Kultur und Begegnungsmöglichkeiten.
Wir wollen mit der Ko-Operativ eG auch dafür ein Dach bieten, wo sich Menschen zusammentun, und es gibt wunderbare Projekte in dörflichen Bereichen, wo sich Menschen zusammentun, als Genossenschaft, um gemeinsam einen Dorfladen zu betreiben oder Einkaufsgenossenschaften gründen. Meine Idee ist, dass man gemeinsam mit Kirchengemeinden, mit Vereinen, mit Wohlfahrtsverbänden mit einzelnen Bürgerinnen und Bürgern Stadtteil-Initiativen auf den Weg bringt für die die Ko-Operativ eG auch ein Dach sein könnte. Da gibt es auch gute Vorlaufmodelle. Aber auch da gilt, das Projekt selber muss schauen, dass die Finanzierung eigenständig auf den Weg kommt, aber es würde ein Dach durch die Ko-Operativ eG zur Verfügung gestellt werden.

Noch eine allerletzte Frage: Ich habe gesehen, dass Sie auf der Webseite ein Treffen in Berlin ankündigen von der AG Junge Genossenschaften. Was macht diese AG?
Das ist ein wunderbares Netzwerk von lauter Macherinnen und Machern, die seit 8 Jahren solche Genossenschaftsprojekte nach vorne bringen. Der Kreis derjenigen, die dahin kommen, sind weniger die einzelnen Bewohner der Projekte sondern die Initiatoren und Initiatorinnen. Ganz viele Einzelgenossenschaften, die über Umbau oder Neubau auf den Weg gekommen sind. Wir nennen uns Junge Genossenschaften, aber viele sind Ende der 90er auf den Weg gebracht worden. Das ist ein Netzwerk, wo auf operativer Ebene, von der Frage, welche Versicherung sollten wir abschließen für unsere Gebäude bis hin zu: Wie kriegen wir denn die Neubewohner stärker eingebunden in eine Struktur, die von alten Hasen entwickelt worden ist? Die gesamte Vielfalt von solchen Projekten wird dort thematisiert. Wir treffen uns 2 Mal im Jahr, und das nächste Treffen ist jetzt in Berlin.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses Gespräch.

 

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