Mich interessiert, wie alles angefangen hat. Kannst du dich erinnern, wann für dich gemeinschaftliches Wohnen zum ersten Mal ein Thema wurde?
Ja, das kann ich ganz genau. Das war 2008, als die Bankenkrise war. Da habe ich Angst bekommen und zum ersten Mal gemerkt, dass da unter Umständen etwas ganz Bedrohliches auf uns zukommt. Da wusste ich, dass ich mich darum kümmern will, wo ich im Alter sein kann. Und dann bin ich zusammen mit meiner Lebensgefährtin losgezogen, und wir haben uns verschiedene Wohnprojekte angeguckt. Und irgendwann sind wir durch eine Bekannte zu den Beginen gekommen, die damals schon länger mit dem Thema Wohnprojekt beschäftigt waren, was aber aus verschiedenen Gründen nicht weiterging. Und da das nicht weiterging, waren viele auch schon ausgestiegen, und es gab nur noch eine Handvoll Frauen, als wir dazukamen. Kurz nachdem wir dabei waren, kam dann das Angebot dieses Grundstücks hier in Widdersdorf.
Das heißt, ihr musstet kein Grundstück suchen, sondern es ist auf euch zugekommen?
Ja, genau. Die Firma, die das ganze Neubaugebiet hier in Widdersdorf entwickelt hat, hatte einen Beginenhof auf dem Plan.
Habt ihr nicht gezögert? Widdersdorf liegt doch ziemlich weit draußen.
Ja sicher. Und einige sind auch nicht mitgekommen, weil sie es hier viel zu karg fanden, eben ein Neubaugebiet. Auf jeden Fall hatten wir dieses Grundstück, und dann ging es los. Anfang 2009 kam die Projektleiterin Lisa Hugger, die uns während der ganzen Planungs- und Bauzeit begleitet hat. Zuerst haben wir einen Workshop gemacht und all unsere Phantasien rausgelassen und sind den Fragen nachgegangen: Wie wollen wir zusammen leben und wie wollen wir zusammen wohnen?
Wie seid ihr zu der Projektleiterin gekommen?
Sie wurde uns von einer Begine empfohlen, die Lisa Hugger irgendwo erlebt hatte und uns sagte, die müssten wir mal holen, die ist sehr kompetent; und so haben wir es gemacht. Nach diesem Anfang kamen dann wieder einige Beginen zurück, die in der früheren Phase dabei gewesen waren, und so ging es weiter, auch dank der Begeisterungsfähigkeit und Kompetenz von Lisa Hugger.
Wie wichtig war sie für das Gelingen des Beginenhofs, was würdest du sagen?
Ohne sie hätten wir es nicht geschafft, glaube ich. Die meisten von uns kommen aus dem psychosozialen Bereich. Wir kannten uns doch gar nicht aus auf all den Gebieten, die so ein Projekt ausmachen. Lisa Hugger hat alle notwendigen Verhandlungen geführt, mit allen Firmen. Wir waren zwar immer dabei und haben nach und nach mehr verstanden und übernommen, aber ohne sie wäre es nicht gegangen.
Wie habt ihr Frau Hugger finanziert?
Im ersten Jahr über das Land NRW. Da sind wir als innovatives Wohnprojekt anerkannt worden. Danach war ihr Honorar in den Baunebenkosten enthalten.
Würdest du sagen, dass alle, die so ein Wohnprojekt planen, den Kostenfaktor für eine Projektbegleitung nicht scheuen sollten?
Auf jeden Fall. Es kommt natürlich drauf an. Wenn es eine Gruppe gibt mit Menschen, die etwas vom Bauen verstehen und die geschult sind... aber allgemeine Fähigkeiten allein reichen nicht, man braucht mehr, man braucht Menschen, die Kompetenzen diesbezüglich mitbringen. Projekte des sogenannten „Anderen Wohnens“ sind ein neuer, umfassender Kompetenzbereich. So ein Projekt erträgt es nicht, dass erst noch lange Kompetenzen entwickelt werden, die müssen schon da sein, glaube ich. Wir haben auch viel gelernt, aber es braucht jemanden, zumindest in der Anfangsphase, der vernetzt ist und Verhandlungstechniken zur Verfügung hat und auch immer wieder die Gruppe motivieren kann. Denn es gab auch immer mal wieder Durststrecken. Ich finde professionelle Projektbegleitung sehr wichtig.
Genossenschaft Ja oder Nein. Trauen wir uns das zu? Das war die wichtige Frage.
Wie seid ihr das mit der Finanzierung des Baus angegangen, und wie habt ihr es so erfolgreich hinbekommen?
Zuerst waren wir ja davon überzeugt, dass wir einen Investor oder eine Investorin brauchen. Und hin und wieder gab es auch jemanden. Aber an einer bestimmten Stelle haben wir kapiert, dass wir das so nicht schaffen. Wir hatten Vorschläge von vier verschiedenen Architekturbüros und haben uns dann für eins aus Aachen entschieden. Und als die letzte Investorin, die sich interessierte, sich diese Pläne angeguckt hat, wollte sie sofort etwas verändern, was uns aber nicht gefiel, und sie wollte auch eine andere Bauleitung als wir, und das gefiel uns gar nicht. Jedenfalls kamen wir nicht zusammen. Und dann, ich weiß es noch ganz genau, das war vor Weihnachten in der letzten Gruppensitzung 2010, da hieß es: Genossenschaft Ja oder Nein. Trauen wir uns das zu? Das war die wichtige Frage. Inzwischen waren wir schon zwölf, dreizehn Frauen, und bis auf zwei haben sich dann alle für eine Genossenschaft ausgesprochen. Wir haben es uns zugetraut.
Und wie habt ihr die Genossenschaft dann aufgestellt?
Wir haben drei verschiedene Wohnformen entwickelt. Für die geförderten Wohnungen - Anspruch darauf haben Frauen mit einem Wohnberechtigungsschein A oder B - bekommt man Zuschüsse, dann die frei finanzierten Wohnungen und drittens die Wohnungen mit "Dauerwohnrecht". Das heißt, die Frauen, die die letztgenannte Wohnform gewählt haben, waren in der Lage, die gesamten Erstellungskosten für ihre Wohnung in die Genossenschaft einzuzahlen.
Mach mal bitte ein Beispiel.
Jede Frau, die in die Genossenschaft eintritt, muss mindestens vier Genossenschaftsanteile à 500 € einzahlen, also 2000 €, plus 200 € Verwaltungsgebühren. Damit erwirbt sie die Mitgliedschaft in der Genossenschaft, was Voraussetzung ist, um hier wohnen zu können.
Natürlich setzen wir voraus, dass jede Frau, die hier leben will, Mitfrau im Beginen Köln e.V. wird. Dann muss jede Frau, die hier wohnt, einen bestimmten Anteil an den Erstellungskosten ihrer Wohnung einzahlen; das ergibt das Eigenkapital der Genossenschaft. Bei den freifinanzierten Mietwohnungen sind das 20 Prozent der Erstellungskosten als wohnungsbezogene Pflichtanteile. Also wenn die Erstellungskosten einer Wohnung 100.000 € betragen, dann sind 20.000 € einzuzahlen. Die Interessentinnen für geförderte Wohnungen mit dem A-Schein müssen 10 Prozent, also bei dem Beispiel 10.000 €, einzahlen. Und bei Erwerb eines "Dauerwohnrechts" zahlen die Frauen zu den 20 Prozent auch die verbleibenden 80 Prozent vollständig ein. Die Wohnung gehört ihnen nicht persönlich, sondern der Genossenschaft. Wenn eine Frau jedoch auszieht oder stirbt, bekommt sie oder die Erben den Wert der Wohnung ausgezahlt, aber die Wohnung selbst bleibt in den Händen der Genossenschaft.
Du sprichst vom "Dauerwohnrecht". Haben die Frauen, dir nur 20 Prozent Anteil der Erstellungskosten eingezahlt haben, kein Dauerwohnrecht?
Doch das haben sie. In einer Genossenschaft ist ein Dauerwohnrecht üblich. Von "Dauerwohnrecht" bei diesen Wohnungen zu sprechen, ist nicht korrekt. Korrekt ist, dass es Eigentumswohnungen nach dem Genossenschaftsrecht sind.
Müssen diejenigen, die die gesamten Erstellungskosten der Wohnung in die Genossenschaft eingezahlt haben, monatlich noch etwas zahlen?
Natürlich zahlen sie keine Miete, aber sie zahlen die monatlichen Betriebskosten, das sind Nebenkosten und Umlagen.
Wenn in 30 Jahren die Kredite abbezahlt sind, dann haben Frauen hier sehr günstigen Wohnraum.
Wer hat euch die juristische Form für die verschiedenen Wohnformen ausgetüftelt?
Für Baugenossenschaften sind die beiden ersten Wohnformen üblich, also geförderte und freifinanzierte Wohnungen. Die Idee zur dritten Form, der eigentumsähnlichen Variante, ist bei uns ganz am Anfang von der Projektgruppe als Konzept entwickelt worden. Dadurch konnten wir viel Eigenkapitel einsetzen. Der Beginenhof ist ein 5-Millionen-Projekt, und wir haben durch die Dauerwohnrechtsform über 2 Millionen Eigenkapital. Aber sie ist bislang nicht üblich in Genossenschaften und daher mussten wir das Modell erarbeiten und der NRW-Bank vermitteln, damit sie uns die Fördergelder auszahlen konnten.
Wer hat diese ganzen Bankgeschäfte abgewickelt?
Die Vorstandsfrauen mit der Projektbegleiterin. Jetzt hatten wir wieder eine Situation, dass uns eine Bank eine Umschuldung angeboten hat, damit könnten wir einen Kredit mit höheren Zinsen ablösen, und da müssen wieder Entscheidungen getroffen werden. Das entscheiden dann die Vorstandsfrauen im Dialog mit den Aufsichtsrätinnen nach bestem Wissen und Gewissen. Natürlich lassen wir uns kompetent beraten und holen das Votum der Genossenschaftsfrauen ein.
Aber ich sage nochmal was zur Genossenschaft. Wir haben uns auch deshalb dafür entschieden, weil der Beginenhof ein Projekt ist von Frauen für Frauen. Er soll in Frauenhand bleiben und günstigen Wohnraum für Frauen schaffen. Wenn in 30 Jahren die Kredite abbezahlt sind, dann haben Frauen hier sehr günstigen Wohnraum. Das ist besonders für die nächste Generation Frauen interessant.
Die Frauen, die in geförderten Wohnungen wohnen, zahlen eine Miete von 5,60 € beim A-Schein oder 6,70 € beim B-Schein pro Quadratmeter. Bei den freifinanzierten Wohnungen sind es 10,50 € zuzüglich Betriebskosten, die im Moment bei 2,50 € liegen.
Ich habe sehr viel gelernt in den letzten Jahren.
Wie lange ging die Bauphase?
Den ersten Spatenstich haben wir im Juli 2012 gemacht. Aber vorher waren wir ja schon in der Planungsphase, das Grundstück wurde uns im Oktober 2010 angeboten, einziehen konnten wir dann ab Dezember 2013. Also mit Planungsphase hat alles ungefähr vier Jahre gedauert.
War die Bauphase stressig?
Ja. Für mich war sie sehr stressig. Aber wir waren auch immer euphorisch, es war auch immer so, dass wir uns riesig freuten, wenn zum Beispiel ein Bauabschnitt fertig war. Und wir waren auch stolz, das Haus hier wachsen zu sehen. Für mich persönlich war es auch deshalb stressig, weil ich mit in der Verantwortung war und unheimlich viele Termine wahrnehmen musste. Und außerdem war ich von Anfang an für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und auch für neue Interessentinnen. Ich musste also immer gut informiert sein, um alle Zusammenhänge gut vermitteln zu können, und so habe ich mir gedacht, dass ich am besten informiert bin, wenn ich im Vorstand bin. Aber eigentlich ist das Geschäftliche und Bautechnische nicht meine Leidenschaft. Aber ich habe sehr viel gelernt in den letzten Jahren.
Anfangs hast du gesagt, dass du 2008 im Zuge der Bankenkrise Angst bekommen hast, was deine Zukunft angeht; ist die Angst jetzt weg?
Eins unserer Ziele ist ja, eine gelingende Gemeinschaft hinzubekommen, damit wir uns gegenseitig unterstützen und uns hier sicher und geborgen fühlen können. Und genau so ist es. Ich fühle mich hier zunehmend sicherer und kann optimistisch meine dritte Lebensphase angehen.
Was würdest du sagen, ist das Besondere an dem Projekt Beginenhof?
Ich glaube, dass die Historie da eine Rolle spielt, denn Köln war ja im Mittelalter eine Hochburg der Beginen. Und ich glaube, dass diese Tradition eine Kraft hat, die uns stärkt. Sich damals mit Frauen zusammenzutun, erforderte sicherlich sehr viel Mut. Bis dahin hatte eine Frau nur die Möglichkeit entweder ein Leben als Ehefrau und Mutter oder als Nonne zu leben. Beides war mit großen Abhängigkeiten verbunden.
In unserer heutigen Zeit haben Frauen zwar viel mehr Rechte und Möglichkeiten, aber finanzielle Engpässe angesichts der Berufsbiografien von Frauen und Selbstbestimmung sind immer noch wichtige Themen. Allgemeine gesellschaftliche Fragen wie Vereinzelung und Leben im Alter kommen hinzu.
Während der Bauphase hatte ich immer wieder die Gewissheit, dass wir „geführt“ werden. Es kamen die richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt.
Alleine wäre ich hier niemals hingezogen. So ging es anderen Frauen auch.
Eure spirituelle Ausrichtung ist, soviel ich weiß, sehr unterschiedlich.
Ja. Wir sind sehr vielfältig. Das ist manchmal schwierig mit der Vielfalt, aber in jedem Fall sehr interessant. Wir haben hier ganz viele unterschiedliche Begabungen und so ist es auch mit der Spiritualität. Da gibt es katholische Frauen, evangelische und buddhistische, da gibt es Schamanismus und unterschiedliche Naturreligionen; es ist uns wichtig, alles zu akzeptieren. Ich meine, das alles sind unterschiedliche Formen, um sich mit etwas Übergeordnetem, einer Kraft oder Intelligenz oder mit Gott, wie immer man es auch nennen will, zu verbinden. Und da gibt es eben unterschiedliche Wege, wie ich in Resonanz kommen kann mit diesem Übergeordneten, der höheren Kraft, mit Gott.
Diese unterschiedlichen spirituellen Ausrichtungen haben ja auch ihre eigenen Rituale. Wie geht ihr damit um?
Manche Frauen gehen regelmäßig in die Kirche, andere wiederum meditieren. Dann gibt es Frauen, denen meditatives Tanzen wichtig ist. Jetzt gibt es auch eine Gruppe, die sich einmal wöchentlich trifft, um gemeinsam spirituelle Lieder zu singen. Alle spirituellen Angebote finden übrigens im Raum der Stille statt.
Ihr habt diesen Raum der Stille und auch einen großen Vereinsraum unten im Erdgeschoss mit einer Küchenzeile und Mobiliar für Veranstaltungen. Wie macht ihr das mit der Finanzierung?
Das ist ein etwas kompliziertes Konstrukt. Es gibt ja den Verein Beginen Köln e.V., der schon seit 20 Jahren existiert. Der Beginenhof ist ein Projekt dieses Vereins. Der Beginenhof ist aber auch ein wirtschaftliches Unternehmen. Das bedeutet, dass die Frauen, die aktiv bei der Realisierung und Verwaltung des Beginenhofs tätig sind, unternehmerisch denken müssen.
Uns war von vornherein klar, dass wir für unsere Vorhaben große Vereinsräume brauchen und dementsprechend wurden die Wohnungen insgesamt kleiner, womit alle Frauen einverstanden waren. Dann aber haben wir auch entschieden, dass der Verein von der Genossenschaft die großen Räume anteilig mietet. Also die Frauen, die im Haus wohnen, tragen gemeinsam die Hälfte der Miete des Vereinsraums, die andere Hälfte trägt der Verein.
Der Raum der Stille wird privat finanziert. Als uns die Finanzierung dieses Raumes zu viel wurde, wollten wir auf ihn verzichten. Da haben sich einige Frauen entschieden, die Kosten zu übernehmen, also die wohnungsbezogenen Pflichtanteile und Miete für den Raum, weil ihnen der Raum der Stille für unser spirituelles Anliegen zu wichtig erschien, um darauf zu verzichten.
Wie hoch ist der Mietbeitrag, den jede Frau für den Vereinsraum zahlen muss?
Also alle Frauen, die hier wohnen, zahlen monatlich 30 €. Dafür können sie ihn als Gemeinschaftsraum nutzen. Und damit der Verein seinen Anteil der Miete ebenfalls zahlen kann, muss er natürlich Einnahmen haben. Und dazu bieten wir Veranstaltungen an. Wir sind dabei, ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm „Begegnung und Kultur“ zu entwickeln. Zusätzlich vermieten wir den Raum an Gruppen oder etwa für private Feiern.
Ich möchte nochmal auf die Lage zu sprechen kommen. Hat dich das nicht erschreckt, dass es hier mit der Anbindung und mit öffentlichen Verkehrsmitteln eher schwierig ist?
Alleine wäre ich hier niemals hingezogen. So ging es anderen Frauen auch. Aber ich finde es jetzt auch schön, hier abseits von der Stadt zu wohnen. Und wenn du hier ein Stück gehst, bist du schnell im Grünen und kannst lange Spaziergänge machen. Ich finde es auch gut, den freieren Blick aus dem Fenster und vom Balkon zu haben. Und die Luft ist hier schon besser als in der Innenstadt.
In der Vielzahl der Frauen gibt es einfach auch ganz viele verschiedene Möglichkeiten mit Konflikten umzugehen.
Könnt ihr hier fußläufig einkaufen?
Ja, am Ende der Straße gibt es einen großen Einkaufsbereich mit Supermarkt, Discounter, Drogeriemarkt, Bäcker, Café, einer Sparkasse, einer Apotheke, da kann man gut zu Fuß hingehen. Und wer mal größer einkaufen will, fährt nach Weiden ins Einkaufscenter, das sind 4 Kilometer. Einige Frauen hier haben kein Auto. Und manche, die alte Autos haben, sagen, wenn das kaputtgeht, kaufen sie sich kein neues mehr. Aber wir haben noch nicht den Schritt geschafft, ein Carsharing-Unternehmen für den Stadtteil zu interessieren. Untereinander wird aber schon viel geteilt, auch die Autos werden untereinander ausgeliehen. Und wenn Frauen zu einer ungünstigen Zeit, beispielsweise zur S-Bahn nach Lövenich müssen, dann bringen wir sie oder holen sie ab, das ist gar kein Problem.
Jetzt möchte ich dich mal nach Konflikten fragen. Dass es welche gibt, ist ja klar. Aber mich interessiert, ob ihr eine bestimmte Strategie habt, damit umzugehen.
Wir haben gesagt, dass jede Frau, die hier einzieht, die Bereitschaft zur Selbstreflexion haben sollte. Aber da gibt es natürlich Unterschiede. Ein Mal im Monat gibt es eine Supervisionsgruppe. Hier besteht die Möglichkeit, einen Konflikt zu besprechen. Die Supervisorin kommt regelmäßig und wird von den Frauen finanziert, die an der Supervision teilnehmen.
Wieviele sind das?
Zwei Drittel der Bewohnerinnen.
Was macht ihr mit einer Frau, die konfliktiv ist und kein Interesse an der Supervisionsgruppe hat?
Wir haben ja von Anfang an gewählt, dass wir eine Gruppe von ungefähr 30 Frauen sein wollen. Im Endergebnis sind es nun 27 geworden. Es ist erforscht worden, dass diese Anzahl um die 30 aus verschiedenen Gründen vorteilhaft und gut ist für solche Gemeinschaftsprojekte. Was nun die Konflikte angeht... wenn ich jetzt einen Konflikt mit einer Frau habe und der ist nicht zu klären, dann kann ich bei 27 Bewohnerinnen dieser Frau aus dem Weg gehen. Aber bei zum Beispiel 10 Mitbewohnerinnen wäre das schon schwieriger. Es gibt Frauen, die warten, bis sich das, was konfliktiv ist, von alleine auflöst. Dann gibt es Frauen, die sprechen direkt miteinander und klären das, was stört. In der Vielzahl der Frauen gibt es einfach auch ganz viele verschiedene Möglichkeiten mit Konflikten umzugehen. Viele ziehen sich auch zurück und klären es für sich und kommen danach wieder in die Gruppe zurück. Bisher hat es aber noch keinen derart heftigen Konflikt gegeben, dass die Gemeinschaft sich eingemischt hätte.
Wenn ich dir so zuhöre, dann vermittelst du mir schon einen gewissen Fundus an Toleranz.
Ja. Inzwischen würde ich sagen, dass das Bestreben bei allen da ist, jede Frau so zu lassen wie sie ist, und sie nicht ändern zu wollen.
Würdest du von dir persönlich sagen, deine Toleranz ist hier gewachsen?
Ja. Ich bin manchmal ganz erstaunt, wie anders eine Frau ist als ich, und wie anders sie mit einer Sache umgeht, und dann denke ich darüber nach und komme drauf: Ach, so macht sie das! Es wirkt versöhnlich, wenn ich es irgendwie verstehen kann. Ich habe ja nochmal einen ganz anderen Blick auf Konflikte dadurch bekommen, dass ich in den letzten 20 Jahren viel mit der Jungschen Psychologie zu tun hatte. Die andere ist ja oft ein Spiegel für mich. Das, was mich an ihr stört, ist ja meist ein Teil von mir, den ich nicht mag, nicht haben will und den ich auf sie projiziert habe. Wenn ich so meinen Anteil am Konflikt sehen kann, bin ich beruhigt, und das schafft energetisch einen anderen Raum.
Das ist ja eigentlich ein Klärungsprozess, den du mit dir alleine machst.
Erstmal ja.
Damit schaffst du dir natürlich auch eine große Unabhängigkeit von der Bereitschaft der anderen Beteiligten.
Ja. Das stimmt. Und ich glaube, ähnlich gehen auch andere Frauen hier mit schwierigen Situationen um. Sie ziehen sich zurück, und wenn sie den Konflikt für sich geklärt haben, sind sie wieder da.
Ich halte das für eine reife Art mit Unstimmigkeiten oder Konflikten umzugehen, auch irgendwie weise und auch unserem Alter angemessen, oder?
Ja. Die Frage ist ja: wie gehst du mit Kränkungen um, oder mit Verletzungen. Und nimmst du immer alles persönlich. Aber da du gerade das Alter erwähnst, es ist schon noch wichtig zu erwähnen dass wir kein Altenprojekt sind. Wir finden es gerade ganz wichtig, dass jüngere Frauen einziehen, wenn eine Wohnung frei wird.
Es ist uns schon wichtig, dass sich hier jede Frau engagiert und in irgendeiner Form mitwirkt, so wie sie kann.
Was habt ihr im Moment für einen Altersdurchschnitt?
Die Jüngste ist vierundfünfzig und dann haben wir auch einige, die sind Mitte siebzig, also der Durchschnitt wird schon über sechzig liegen. Wir verstehen uns trotzdem nicht als Altenprojekt. Wohnen im Alter ist ein wichtiges Thema, aber nicht der eigentliche Beweggrund für das Entstehen unseres Projekts.
Aber es ist natürlich so gewesen, dass damals, als wir anfingen, Interessentinnen zu suchen für den Beginenhof, vor allem die älteren Frauen kamen. Und es war gut so, denn sie hatten Zeit, weil sie schon Rentnerinnen waren, und viele brachten zudem das Geld, mit dem wir dann die Genossenschaft gut aufbauen konnten. Es ist natürlich so, dass das große Engagement, das die Realisierung von solch einem Projekt braucht, eher von denen geleistet werden kann, die nicht mehr berufstätig aber noch fit sind. Eine Frau, die noch mitten im Berufsleben steht, kann das neben ihrer Arbeit kaum leisten.
Zum Schluss möchte ich nochmal nach eurer gesellschaftlichen Positionierung fragen. Was ist euer gesellschaftliches Anliegen?
Wir wollen ein Programm aufbauen für Begegnung und Kultur, weil wir so unseren Beitrag leisten wollen an Aufklärung und Bewusstheit über Themen der Zeit oder über Spiritualität, Gesundheit, Psyche. Dazu bieten wir Vorträge und Kurse an, die der Bewusstheit und somit der Weiterentwicklung dienen.
Im Sozialen ist es unser Anliegen, Frauen und Kinder zu unterstützen. Zum Beispiel organisieren wir Trödelmärkte, und die Spenden, die wir darüber bekommen, geben wir an Frauenprojekte oder Kinderprojekte weiter. Und jedes Jahr erhält ein ausgewähltes Kölner Frauenprojekt den Beginenpreis, der mit 5.000 € dotiert ist.
Ist es denn so, dass jede Frau, die hier wohnt, sich engagieren muss, oder kann es auch sein, dass eine Frau hier einzieht und nur wohnt?
Es ist uns schon wichtig, dass sich hier jede Frau engagiert und in irgendeiner Form mitwirkt, so wie sie kann. Denn viele Arbeiten müssen einfach gemacht werden, wie zum Beispiel die Gremienarbeit oder die Gartenarbeit. Und oft ist es so, dass Frauen das machen, was sie gerne tun oder auch das, was sie lernen möchten. Wir verstehen uns nicht als reines Wohnprojekt. Mir persönlich ist es wichtig, mich hier in der Gemeinschaft in meiner dritten Lebensphase weiter entwickeln zu können und sinnvoll aktiv zu sein. Etwas Neues in die Welt zu bringen, was die Gesellschaft in Zukunft mehr und mehr zu brauchen scheint, nämlich weg von der Vereinzelung und Isolierung hin zum Gemeinschaftlichen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Beginenhof Köln eG
Beginen Köln e.V.
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