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Tanja Corbach, Bildende Künstlerin.

Zum Interview trafen wir uns am 11. Januar 2018 in Steimel, im Atelier Westerwald.

 

 
 
Tanja Corbach

Du hast letztes Jahr ein Projekt in Köln gemacht.
Ja, Anfang 2017 habe ich für die GAG, eine große Wohnungsbaugesellschaft in Köln, ein Beteiligungs-Projekt in Köln-Buchheim mit knapp 100 mitwirkenden Bürgern/innen ausgeführt. Es ging um die Gestaltung der Außenwände einer im Lebensraum sehr präsenten Blockgarage. Vonseiten der GAG gibt es eine große Aufmerksamkeit, was das Einbinden der Bewohner/innen angeht. Sie haben ein großes Bewusstsein dafür, wie wichtig der soziale Aspekt für diese Quartiere ist. Für mich war das Spannende an diesem Projekt, dass es ganz offen angelegt war. Das heißt, es konnten über 4 Tage sämtliche Bewohner/innen mitmachen.

Was genau war dein Auftrag?
Mit der Gestaltung der Außenwände der Blockgaragen ein Beteiligungsprojekt so zu kreieren und zu gestalten, dass Menschen mitmachen können und der Lebensraum ansprechender und lebendiger wirkt.
Hier sind wir bei einem Thema, das ich sehr liebe und das mir am Herzen liegt. Wir leben oft in einer Gesellschaft von Gruppierungen. Hier sind die Senioren, da sind die Kinder, hier die Alleinerziehenden, dort Menschen, die aus ihrem Heimatland geflohen sind und so weiter. Überall hat man diese kleinen „Völker“, die sich kaum begegnen. Ich liebes es, wann immer es mir möglich ist, diese „soziale Gettobildung“ aufzulösen. In diesem Projekt konnten sich alle Beteiligten in Begegnungen erleben. Jeder konnte kommen und dann am nächsten Tag wieder anders unterwegs sein.
Maria Thissen, Sozialbetreuerin im Quartier, hatte mich mit drei wunderbaren Kooperationspartnern im sozialen Netzwerk vor Ort in Kontakt gebracht. Diese haben „ihre Leute“ über das Projekt informiert. Das war natürlich toll. Diese Kooperation wurde von allen, Familienladen, BUCHSE, Interkulturelles Cafe, sehr engagiert und zum Wohle des Miteinanders unterstützt.

 


Ich liebe die Funktionalität in der Kunst.

 

Mich interessiert, welche Daten du brauchst, um ein Projekt zu entwickeln.
Der Ort, auch in seiner Infrastruktur und sozialen Architektur, ist für mich wichtig. Welche Menschen leben hier? Überwiegend Senioren, junge Familien mit vielen Kleinkindern, Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen? Das Projekt für die GAG „Wir sind hier“ war ein Projekt im öffentlichen Raum. Das jeweilige Gebäude in seiner Funktion, wie zum Beispiel eine Schule oder der Eingang in einem Familien- und Nachbarschaftszentrum, spielt natürlich immer eine wichtige Rolle.

Bei dem, was du machst, geht es ja um Kunst, um Schönheit, es geht nicht um Funktion, oder doch?
Das klingt nach den alten und noch nicht erlösten Grabenkämpfen der Definition von Kunst und angewandter Kunst. Ich liebe die Funktionalität in der Kunst. In den kommenden Monaten baue ich mit vielen Menschen einen Drachen auf dem Schulhof einer Schule. Dieser Drache wird gleichzeitig ein bespielbares Element werden. Es gibt einige Wandgestaltungen von mir, die im funktionalen Bereich ihren Platz finden. Im integrativen Kulturhaus Müllestumpe in Bonn habe ich 14 Badezimmern die individuelle Aussage gegeben. Man könnte auch in einer Gemeinschaft zum Beispiel einen Fliesenspiegel in einer Küche gemeinsam umsetzen. Wenn sich meine freudvolle und die Sinne belebende Gestaltung mit der Funktionalität trifft, so lebt die Kunst im Leben, im Alltag, mit uns.

Auch das Thema Badezimmer finde ich total spannend.
In unserer „Zuvielisation“ liefern wir uns im Alltag so vielen visuellen, akustischen, informellen Reizen aus, dass es ganz wichtig für unsere Gesundheit ist, alles wieder abfließen lassen zu können, was man loslassen möchte. Um sich auf mehreren Ebenen zu „reinigen“ ist das Badezimmer ein wunderbarer Raum.

Wie meinst du das genau?
Mir geht es mit meiner Lebensraumgestaltung immer wieder um Bewusstsein. Um mir bewusst zu sein, was mich heute gefüllt hat, brauche ich den Rückzug in die Stille. Wir haben momentan in unserer Gesellschaft keine oder wenig kollektive Rituale für den Umgang mit unserem Bewusstsein. Auch für die Balance des Aufnehmens und des Rückzugs gibt es wenig Werkzeug, das wir mit auf den Weg bekommen. In der Anbindung der eigenen Intuition ist es wichtig, Möglichkeiten der Reinigung zu haben. Wie pflege ich meine visuellen und akustischen Eindrücke, die ich über den Tag bekomme? Den Raum der Reinigung dafür zu nutzen, ist eine gute Gelegenheit. Zu sagen: Okay, das alles, was ich heute aufgenommen habe und nicht mehr brauche, lasse ich hier mit dem Duschen gehen. Ich komme wieder bei mir an und sortiere bewusst, was zu mir gehört.

Sehr interessantes Konzept… hast du schonmal Badezimmer unter diesem Aspekt gestaltet?
Ja. Es fallen mir ganz spontan zwei Badezimmer ein, bei denen ich diese Ebene der Reinigung einfließen lassen konnte. Das eine Badezimmer ist für mich eine Schlüsselszene für die Beteiligungsprojekte gewesen. Dadurch, dass ich die Wahrnehmung für den „Raum der Reinigung“ formuliert habe, bekam der Entstehungsprozess des Badezimmers eine andere Bedeutung für die Auftraggeber. Und damit bekam auch der Weg, wie das Badezimmer entsteht, eine Bedeutung. Es berührt mich, in diesen Beteiligungsprojekten auch der Qualität der Entstehung Raum geben zu können.

 


Den schöpferischen Raum zu entdecken, innen wie außen, ist ein Wesen meiner Arbeit.

 

Das Konzept der Beteiligung ist ja für mich der Grund, mit dir dieses Interview im Zusammenhang mit Gemeinschaftlichen Wohnprojekten zu führen. Üblicherweise werden Kunstobjekte von einem Künstler oder einer Künstlerin hergestellt, und die anderen konsumieren das jeweilige Objekt. Du aber bist begeistert davon, gemeinsam mit anderen Kunstobjekte zu machen, auch mit Kindern und in Schulen.
Die Begeisterung liegt für mich in der gestalterischen Gegenwartserfahrung und in der Begegnung, wie auch in dieser Chance des Erschaffens und in der Teilhabe am Erschaffen. Dass Jede/r, der/die dabei mitmacht, sich in diesem Augenblick neu und anders erfahren kann. Das erlebe ich immer wieder in meinen Projekten. Auch bei dem Projekt „Wir sind hier“ der GAG in Köln-Buchheim habe ich diese Qualität gespürt. Das ist ein Wohnviertel, das landläufig als „sozial schwach" bezeichnet wird. Beim Legen des Mosaiks erleben sich Menschen im gegenwärtigen Miteinander in einem Kontext, in dem Bezeichnungen wie diese keine Rolle spielen. Sie bringen ihre Wahrnehmung und Ideen ein, wie das, was sie lieben und das, worum es ihnen geht.
Alle Beteiligten erleben sich als Lebensgestalter/innen, erfahren sich in ihrer Selbstwirksamkeit und bekommen dafür eine Wertschätzung gespiegelt. Wenn ich merke, da findet etwas in den Menschen und im Miteinander statt, dann erlebe ich das schöpferische Wesen der Kunst.
In Grundschulen zu gestalten erfüllt mich besonders mit Freude. Mit den Kindern passiert ganz viel. Für sie ist die Erfahrung: Wir dürfen an den Wänden arbeiten und machen hier etwas Bleibendes! ganz groß. In den Pausen höre ich dann, wie sie sich gegenseitig ihre Mosaik-Steine zeigen, die sie gelegt haben. Die Erfahrung, die sie machen, ist: Ich habe Einfluss auf mein Lebensumfeld. Dieser Prozess muss nicht pädagogisch wertvoll aufgearbeitet werden. Die Selbstwirksamkeitskräfte werden im Erleben und Handeln aktiviert, und die tiefere Ebene bekommt etwas ganz Einfaches. Ich bin keine Pädagogin.
Den schöpferischen Raum zu entdecken, innen wie außen, ist ein Wesen meiner Arbeit.

Dir geht es ja auch um das Ergebnis, es geht dir ja nicht nur um die Selbsterfahrung der Beteiligten. Wie bringst du das zusammen?
Es gibt natürlich auch Werkzeuge in meiner Arbeit. Das künstlerische Konzept ist an diesem Punkt sehr wichtig.

Du arbeitest intuitiv…
… ja das auf jeden Fall, und ich strukturiere die einzelnen Phasen. Zum Beispiel habe ich im Projekt für die GAG beschlossen, mit Sechskant-Fliesen zu arbeiten. Das ist für mich eine in sich stimmige Form, die mir im Miteinander viel Freiheit gibt. Das Konzept für „Wir sind hier“ bildet mit den Sechskant-Fliesen eine freie Struktur auf den Wänden ab, die an DNA Ketten erinnern. Die DNA des Miteinanders von Buchheim. Mit den Sechskant-Fliesen kann ich der Dynamik der wechselnden Gruppengröße, wie auch der Gestaltung der Beteiligten viel Freiheit geben und zulassen. Ich wusste mit diesem Konzept, daß die „DNA Ketten“ einfach gut aussehen.
Die Fliesen wurden zuvor auch mit den Bewohner/innen selbst hergestellt.
Dieser persönliche Fingerabdruck hat die Identität zusätzlich herausgearbeitet.

Hast du Bildmaterial von diesem Projekt, das wir hier einfügen können?
Ja.

   

Würdest du mal beschreiben, wie der Ablauf sein kann von so einem Beteiligungsprojekt?
Ich fange zum Beispiel so an, dass ich alle Beteiligte erstmal Entwürfe zeichnen lasse. Die Bilder hängen wir auf. Das können 40 Bilder und mehr sein. Wir schauen und sprechen über unsere Eindrücke. Ist das ein Thema, was hierhin passt? Was spricht an? Der Input von den Menschen, die mitmachen, die dort leben oder arbeiten, ist mir sehr wichtig und verbindet uns in dieser Phase. Ich spreche in meiner Lebensraumgestaltung auch gerne von Belebern und Beleberinnen der Räume. Ob Schule, Kindergarten, Mehrgenerationenhaus, ob wir dort arbeiten oder unsere Freizeit verbringen, wir verbringen in diesen Räumen einen großen Teil unserer Lebenszeit. In diesem Selbstverständnis liegt mir viel an der Einbindung aller Menschen, die diese Räume beleben. Mit diesen Entwürfen fahre ich im Anschluss in mein Atelier und erarbeite daraus einen Entwurf. Himmelsrichtungen und Aspekte, die ich schon genannt hatte, wie zum Beispiel die Frage, wofür das Gebäude Raum gibt, fließen mit ein.
In der zweiten Phase komme ich mit meinem Entwurf wieder und stelle diesen vor. Es gibt die Möglichkeit der Mitsprache. Bis der Entwurf ein Guss wird. Diesen arbeite ich in meinem Atelier weiter aus. Es gibt auch Beteiligungsprojekte, die ihre Beteiligung ausschließlich in der Entwurfsphase und der Kommunikation mit mir haben. Zum Beispiel habe ich letztes Jahr die Gestaltung einer Glaswand in einer Kirche in Kommunikation mit der Gemeinde entwickelt. Dieser Entwurf wurde von einem Glaser umgesetzt. Das Miteinander des Dialoges im Entwurf ist auch dort heute zu spüren.
Bei der Beteiligung in der Umsetzung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, Phasen so zu strukturieren, dass alle Menschen sich gut einbinden und ihren aktiven Platz finden können.
Ich spreche schonmal von der Kompetenz der Wahrnehmung. Gerne hole ich Mitgestalter/innen da ins Boot, wo sie sind und habe bislang nur gute Erfahrungen damit gemacht. Ein Projekt in einer Grundschule hieß „Der wachsende Garten". Die Schüler/innen konnten in der Phase der Fliesenherstellung alles aus Ton formen, was ihnen einfiel. Es sind so wunderschöne Insekten entstanden, die ich mir nie hätte ausdenken können.
Ein weiteres Projekt ist in einer Schule entstanden zum Thema „Wasser“. Die Schüler/innen der beiden G-Klassen haben fleißig geformt und gedrückt, und die Fliesen sind längst nicht so perfekt geworden, wie „man das so denkt“, und gerade dieses Unperfekte hat den Charme, den es braucht. Die Rektorin wie Besucher der Schule waren hin und weg von dem ästhetischen Gesamteindruck.

Nach diesem Muster bist du auch bei dem Projekt für die GAG vorgegangen?
Ja. Schon in der Entwurfs-Begegnung habe ich gemerkt, wie viel die Erwachsenen in Resonanz gingen. In der Ausarbeitung des künstlerischen Konzeptes habe ich gemerkt, wenn der Raum der Beteiligung so offen bleibt, brauche ich ein sicheres Konzept, das diese Freiheit zulässt. Wenn ich mit Anmeldungen oder geschlossenen Gruppen arbeite und weiß, ich habe 20 Mitwirkende für 4 Tage, dann weiß ich auch, was geleistet werden kann. Wenn ich nicht weiß, ob am Dienstag vielleicht 20 oder 4 Menschen dabei sind, dann ist das eine große Unbekannte. Mit dem Konzept der Sechskant-Fliesen konnte ich diesem offenen Raum gerecht werden. In Köln-Buchheim waren immer mehr da, als jeder gedacht hätte. Das war natürlich eine kraftvolle Erfahrung.

Bist du mit dem Ergebnis zufrieden?
Ja. Absolut.

Und der Auftraggeber auch?
Sie haben schon angemeldet, dass sie 2019 vielleicht die nächsten Garagen gestaltet haben wollen.

 


Diese Brücke des Zutrauens, die alle Beteiligten nehmen können, bringt viel Freude und Mut zum Ausprobieren mit.

 

Bei der Gestaltung der Garagen geht es ja um Verschönerung…
… ja, und gleichzeitig um die Stärkung der Identifikation der Bewohner des Viertels mit dem Lebensraum.

Weil das wiederum eine positive Rückwirkung hat auf das Lebensgefühl und Verhalten der Leute, die dort wohnen?
Genau. Jeder Mensch identifiziert sich mehr mit seinem Lebensraum, wenn er/sie diesen aktiv mit gestaltet hat.
Um diese Erfahrung rund abzuschließen, ist mir immer wieder ein Abschlussfest wichtig. Wir feiern und würdigen, was wir gemeinsam gemacht haben. Auch in Köln -Buchheim haben wir zum Abschluss gefeiert. Die GAG hat sich engagiert und Zelte hingestellt. Die Menschen aus den Kooperationseinrichtungen hatten Kuchen mitgebracht.
Auch in den Schulen feiern wir immer. Zum Beispiel in dem Flur, der gestaltet wurde. Dass die Schüler/innen dort Stühle und Tische aufstellen und essen, ist für sie etwas besonderes. Von der Presse kommt oft ein Journalist und macht einen kleinen Bericht. Auch das ist für die Lebensraumgestalter/innen eine gute Erfahrung. „Wir werden gesehen mit dem, was wir machen“ ist eine wertschöpfende Erfahrung.
Für diese Feier der kommenden Projekte möchte ich noch mehr miteinander singen und musizieren. Im Moment lerne ich ja Akkordeon, ob ich dann irgendwann da sitze und spiele und alle singen mit…. das wäre klasse!
Bei den Vorbesprechungen von „Wir sind hier“ hatte ich erzählt: "Teilhabe heißt nicht, dass Jede/r hier eine Fliese klebt. Ihr könnt auch kommen, wenn ihr mit dem Fliesen kleben nichts zu tun habt, dann bringt einen Kuchen mit.“ Das hat über die 4 Tage sehr gut gut funktioniert. Es gab jeden Mittag ein warmes Essen. Schon bei der zweiten Vorbesprechung habe ich gedacht, hungern werden wir nie. Natürlich haben das auch die wunderbaren Kooperationspartner wie der Familienladen und die BUCHSE mit getragen und initiiert.

Auf deiner Webseite habe ich den Satz gelesen: "Kunst als Impuls zur vertrauensvollen Begegnung". Du musst in diesen Beteiligungsprozessen ja auch vertrauen, dass das etwas wird. Woher nimmst du dieses Vertrauen?
Aus der Sicherheit des künstlerischen Konzeptes. Die Phasen der freien Gestaltung aller Beteiligten finden in von mir gesteckten Rahmen statt.
Diese Freiheit schenkt allen Zutrauen in das, was sie gerade machen. Auch die Wachheit oder Aufregung durch das besondere Projekt für die beteiligten Menschen trägt zum Gelingen bei.

Zutrauen geschenkt zu bekommen stimuliert den Selbstwert und das Selbstwertgefühl. Kinder reagieren darauf ja noch viel sensibler als Erwachsene.
Ich arbeite oft mit einer Schablone. Das heißt, es wird erstmal gelegt, ohne dass geklebt wird. In dieser Phase gibt es ein spielerisches Element, ich mag diese Momente sehr gerne. Diese Brücke des Zutrauens, die alle Beteiligten nehmen können, bringt viel Freude und Mut zum Ausprobieren mit. „Ich darf mit diesen ganzen schönen Fliesen, die sich auch toll anfassen, spielerisch legen." Wir haben in unserer Gesellschaft oft diesen Perfektionsanspruch, der die Erfahrung und die Erprobung selten zulassen kann. Hier erfahren alle, dass dieses Ausprobieren sehr willkommen ist. Erst wenn alle anderen zu der Arbeit Ja sagen, dann wird diese weitergeführt.

Wie überträgst du sowas denn dann?
Das Mosaik wird nicht immer direkt auf die Wand geklebt. Wenn ich zum Beispiel mit Senioren oder kleinen Kindern arbeite, können sie in der Waagerechten auf von mir vorbereiteten Platten arbeiten. Diese Elemente werden später an den Wänden montiert. Diese Methode erlaubt mir gestalterisch mehr Freiheiten. Ich kann gestalterische Elemente entwerfen, die in Höhen von 2 bis 4 Metern montiert werden.

Du warst ja vor ein paar Wochen beim Barcamp in der Melanchthon Akademie in Köln mit dem Thema "Gemeinschaftlich Bauen und Wohnen" und hast an verschiedenen Gruppen teilgenommen. Wie fandest du das?
Ich glaube, dass jede Gemeinschaft ein größeres Ziel braucht als sie selbst. Und wenn es das nicht gibt und wenn das nicht formuliert ist, dann weiß ich nicht, in welche Richtung gegangen werden soll. Meiner Meinung nach braucht das Wir eine Definition. Beim Barcamp hat mich sehr erstaunt und berührt, dass jede Menge Menschen bereit sind, sich zu treffen und sich unter der Überschrift „Miteinander leben“ auszutauschen. Vermisst habe ich den Impuls, für welche Werte ich bereit bin hier aufzustehen. Was ist mir wichtig? Ganz konkret auch. Konkret wurde Organisatorisches behandelt… wärst du bereit, die Küche zu teilen?... dein Auto?... und so weiter.
Ich glaube, das Wir braucht auch eine ideelle Überschrift. Für was bin ich bereit, auf Dinge zu verzichten? Ich würde fragen: Welche Bedürfnisse habe ich? Welche Erwartungen habe ich an dieses Miteinander? Und auch die Frage nach den Werten, die mir wichtig sind. Zum Beispiel die Frage nach ökologischen Lebensmitteln, der Umgang mit dem Bedarf von Fleisch oder einer vegetarischen oder veganen Ernährung. Wie gehen wir mit dem Einkauf um? Foodcoop - wer würde das wichtig finden? Was wollen wir als Gemeinschaft bewirken? Wollen wir überhaupt etwas als Gemeinschaft bewirken? Gibt es eine Ausrichtung an Work-Life-Balance, oder möchte ich mindesten eine Mahlzeit am Tag gemeinsam erleben? Gibt es Meditationen oder eine gemeinsame Schulung im Bewusstsein? Gibt es ein Motto, das Menschen mit gleicher Gesinnung anzieht? Und dann zu schauen, sind meine Werte deckungsgleich mit den Werten der anderen?
In den Gemeinschaften, in denen ich gelebt habe, war die Arbeit das verbindenden Element neben der ideellen Idee, ökologisch nachhaltig zu leben. Als junge Frau habe ich auf einem biologisch wirtschaftenden Hof mit 8 bis 12 Erwachsenen und Kindern gelebt. Später habe ich in einer Künstlergemeinschaft mit 10 bis 12 Erwachsenen und Kindern gearbeitet und gelebt. Ich denke, dass Arbeit ein großes Kraftpotential hat, da der Wirtschaftsfaktor einer Gemeinschaft natürlich auch eine zentrale Frage im Selbstverständnis bedeutet. Es waren kraftvolle Erfahrungen, die mich anders herausgefordert haben als mit mir alleine zu leben. Heute lebe ich mit meinem Mann und 8 Erwachsenen in einer losen Gemeinschaft in 4 Häusern. Die Kinder sind in der Welt unterwegs, und die Verbundenheit der Generationen im Alltag ist gerade ein Thema für uns.

 


Ich lade die Sinne eines jeden Menschen dazu ein, gegenwärtig zu sein.

 

Ich würde gerne noch einen Satz von deiner Internetseite zitieren: "Wir brauchen Räume, in denen wir von innen heraus erblühen". Was meinst du damit?
Wenn ich zu Projekten fahre, dann sehe ich die Kinder, die zur Schule fahren, an den Bushaltestellen stehen und wie sie so in der Dunkelheit im Winter in diese Schulen sollen. Morgens um halb acht oder acht müssen sie dann irgendwie Mathe oder Biologie denken. Ich kenne kaum einen Menschen, weder von der Lehrerseite noch von der Schülerseite, der sagt: „Boah, ich finde das so toll, morgens um acht in der Schule Mathe zu machen“. Ich selber kann mich erinnern, dass ich das eine Zumutung fand, morgens unter diesen Neonröhren zu sitzen, und ich sollte aufnahmefähig sein. Das ging gar nicht. Ich glaube, die ersten Stunden in meinem ganzen Schulleben konnte ich inhaltlich total vergessen. Ich wollte gar nicht da sein wo ich war.
Wir brauchen Räume, in denen wir gerne anwesend sind und sein wollen. Zeit-räume wie konkrete gebaute Räume brauchen wir für die Basis, wach anwesend sein zu wollen.
Das Wort Eutonie, Wohlspannung, beschreibt diese Balance sehr gut. Ich bin in einer angenehmen körperlichen Spannung da. Es geht nicht um nur Entspannung oder Stress. Es geht mir darum, in einer angenehmen Präsenz da sein zu wollen. Und dafür brauchen wir Räume, die uns dazu einladen. Ich lade die Sinne eines jeden Menschen dazu ein, gegenwärtig zu sein. Ist diese Basis geschaffen, sind wir mit unserer Intuition verbunden, es fällt uns leicht, wach und klar zu sein.
Zum Beispiel gibt es in einer mit Mosaiken gestalteten Schule Überraschungsmomente. Wenn du zum Beispiel um die Ecke kommst und rechnest nicht damit, dass dort an der Stelle eine Mosaikinstallation ist... plötzlich weckt die Überraschung deine Aufmerksamkeit. So etwas meine ich damit. Auch mit der Ungewöhnlichkeit, die Sinne zu verführen. Zu sagen… ah!… ich komme in die Gegenwart. Auch Staunen zu können hat etwas Verspieltes, das wir uns als Erwachsene gut bewahren und pflegen sollten. Bei all diesen Aspekten ist mir eine klare Formensprache wichtig.

Wie gerne ist der Mensch an dem Ort, an dem er gerade ist?
Ankommen zu können, ist für uns auch mit den neuen Techniken der elektronischen Kommunikation eine große und tägliche Übung und Bewusstseins-Schulung. Ich bin jetzt hier!
Ebenso liegt mir daran, den Charakter eines Raumes heraus zu bilden.
Ich weiß, zum Beispiel, dass ich gerade in einem Mehrgenerationenhaus bin. Dieser Raum hat etwas besonderes, und ich assoziiere ganz bestimmte Bilder mit diesem Raum. Es findet eine Verortung durch Bilder, Gerüche, Begegnungen und das Gefühl im Raum statt.

Man müsste dich bei der Gestaltung eines jeden Hauses dabei haben. Ich finde, du bist eine Raum-Anwältin, mit einem weiten Blickfeld und viel Liebe zu Menschen. Danke für das Gespräch.

Ich danke Dir auch !

> tanja-corbach.de  
Foto: Sami Fayed
 
 

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