Unser erstes Interview haben wir vor ziemlich genau einem Jahr in deinem Haus in Lindlar gemacht. Seither ist viel passiert bei dir.
Ja, in der Zwischenzeit ist viel passiert. Der Einzug ins Wohnprojekt. Die ersten sind am 1. August 2017 eingezogen, ich bin am 15. August eingezogen. Jetzt wohne ich dort schon ein Dreiviertel Jahr.
Ich schlage vor, wir rekapitulieren mal kurz und du beschreibst euer Wohnprojekt nochmal.
Wir sind ein Investorenmodell, gebaut zusammen mit der GAG, der großen Kölner Wohnungsbaugesellschaft. Wir haben 34 Wohnungen, die kleinste ist 38,5 und die größte 93,5 Quadratmeter groß. Wir sind 42 Erwachsene und acht Kinder. Wir haben acht Nationalitäten bei uns im Haus, was natürlich sehr positiv ist, aber es gestaltet sich manchmal auch schwierig. Alleine vom Sprachverständnis her. Die Mentalitäten sind doch unterschiedlich, und wir müssen das als Chance sehen, uns kennen zu lernen und auch voneinander zu lernen.
Ihr habt in eurem Modell ja auch die Mischung von freifinanzierten und geförderten Wohnungen. Würdest du dazu bitte noch was sagen.
Ja. Wir haben ein Drittel Wohnberechtigungsschein A, ein Drittel WBS B und ein Drittel freifinanzierte Wohnungen. Ich persönlich sehe das als ein Problem an. Wir hatten damals in der Projektskizze, mit der wir die GAG als Kooperationspartner gewonnen hatten, aufgeschrieben, dass wir nur 50 Prozent WBS B haben wollen.
Also keine WBS A geförderten Wohnungen. Wer hat euch denn diese jetzige Aufteilung der Wohnungen auferlegt?
Zum Teil die GAG, aber es haben sich auch einige von uns nicht an die Abmachungen gehalten. Ein, zwei Leute von uns sind zur GAG gegangen und haben gefragt, ob sie nicht eine A Wohnung haben können. Das war natürlich gegen unseren Beschluss, den wir hatten. Und so kam die GAG auf uns zu und sagte, aber ihr wollt doch WBS A, und so blieb uns gar keine andere Möglichkeit, als es so zu machen, wie es jetzt ist. Meine Meinung ist, wir sollten Leute aufnehmen, die sozial schwach sind und sie damit auch stärken. Aber das Ganze funktioniert nur, wenn die gesamte Gemeinschaft stabil ist. Und wenn wir einen sehr großen Anteil mit WBS A haben, dann ist die Stabilität der Gemeinschaft gefährdet.
Wieso? Welche Bedeutung hat Geld für die Stabilität von Gemeinschaft?
Das Problem bei WBS A und auch ein bisschen bei WBS B ist: Wenn vom Jobcenter gezahlt wird, wird nur die Miete gezahlt und nicht das, was wir an Zahlungen für den Gemeinschaftsraum benötigen. Die Gelder, die wir für den Gemeinschaftsraum benötigen, sind für die Erstausstattung in der Größenordnung von 60.000 Euro, die wir Quadratmetermäßig umgelegt haben. Und dann brauchen wir natürlich eine Werterhaltung, um in 10 oder 15 Jahren wieder Geld zu haben für Renovierungen oder neue Möbel, und diese Gelder werden nicht vom Jobcenter übernommen, und das ist eine Schwierigkeit.
Mittlerweile zahlt die Stadt bei ihren Zuwendungen für geförderte Wohnungen ja die Anteile für die Gemeinschaftsräume mit.
Ja. Die anteilige Kaltmiete für die Gemeinschaftsräume wird vom Jobcenter übernommen. Aber die Summe für die Erstausstattung und auch die Werterhaltung, die wird nicht übernommen. Die Erstausstattung entspricht etwa 36 Euro pro Wohnquadratmeter. Wenn man eine 50 Quadratmeter Wohnung hat, sind das 1.800 Euro als einmalige Zahlung. Und als Werterhalt, den wir berechnet haben, was wir aber noch nicht beschlossen haben, liegen wir bei etwa 20 Cent pro Wohnquadratmeter pro Monat. Das heißt, für eine 50 Quadratmeter Wohnung müsste jemand pro Monat 10 Euro zahlen. Und das ist relativ schwierig durchzubekommen. Bei einigen nicht, aber gerade bei Menschen, die wenig Geld haben.
Ich bin auch sehr froh, mein Leben entrümpelt zu haben.
Jetzt hat sich dein Leben ja total verändert. Früher hast du in dem tollen Haus mit Garten gewohnt und jetzt wohnst du in einer kleinen Wohnung im zweiten Stock.
Mein Leben hat sich ganz deutlich verändert. Meine neue Heimat ist jetzt in Ostheim. Ganz klar und eindeutig, auch vom Herzen. Ich hatte das tolle Haus in Lindlar. Jeder hat gesagt, wie kannst du da nur ausziehen. Aber für mich ist ein Stück Vision in Realität übergegangen. Ich bin natürlich jetzt in Ostheim mit meiner Partnerin zusammen, die ich ja durch das Projekt kennen gelernt habe. Und es hat sich ja auch die tolle Situation ergeben, dass wir zwei Wohnungen mit Verbindungstür haben. Von daher ist vieles in meinem Leben eingetreten, womit ich gar nicht mehr gerechnet habe. Was mich glücklich macht.
Ich bin auch sehr froh, mein Leben entrümpelt zu haben. Wie viel ich da in dem Haus hatte und was alles da rausgegangen ist. Ich habe sehr sehr viel weggegeben, und trotzdem ist es immer noch zu viel, was ich jetzt in meinen 58 Quadratmetern noch habe. Das Haus ist jetzt mit April verkauft, gestern hatte ich noch ein Telefonat mit den Käufern; die Versorgungsanbieter werden jetzt gewechselt, also es sind jetzt die allerletzten Schritte, und die letzten Sachen werde ich noch holen.
Wir haben relativ viele Sitzungen.
Kannst du mal beschreiben, was sich sonst noch verändert hat?
Ich glaube, dieser Schritt in eine Gemeinschaft mit einer kleineren Wohnung hat ganz unterschiedliche Aspekte. Ein Mal, das innere Ich will in eine Gemeinschaft, und das Entscheidende dabei ist, ich will mich auch zeigen. Man kann sich hinter seine Tür zurückziehen, aber in der Gemeinschaft bin ich einer von 42, also zwei mal 41 Augen schauen auf mich. Und dazu bereit zu sein, mich in der Gemeinschaft zu positionieren, dass die anderen auch merken können, ich bin Wilhelm und damit anders als die anderen, das ist das eine. Und das zweite ist, dass ich mich von vielem trennen musste, was ich angehäuft hatte in den 70 Jahren meines Lebens. Und was bei mir noch ganz entscheidend ist: ich habe drei Kinder, und für unsere Beziehung ist das etwas ganz Tolles, dass ich nicht meinen Kindern sage, ich wohne alleine weiter, und wenn es mir nicht mehr gut geht, dann übernehmt ihr das für mich.
Also die Kinder sind entlastet.
Ja, die Kinder sind entlastet. Das ist so.
Ich würde gerne mal nachfragen: Du sagst, dass du dich in der Gemeinschaft zeigen möchtest. Was meinst du damit?
Also ich denke, ich spreche nur etwas aus, was eigentlich eine Grundvoraussetzung ist für Gemeinschaft. Ich trete in eine Gruppe von Menschen, und viele nehmen mich wahr. Ich möchte ja auch wahrgenommen werden. Und möchte auch meine Idee vom Gemeinschaftlichen Wohnen, die ich damit verbinde und die weit über die Wohnung und das Haus hinausgeht, den anderen auch mitteilen. Und ich möchte auch nicht "einfach" für die anderen sein. Also schon immer wieder auch sagen: Wir sind ein gemeinnütziger Verein, wir wollen nach außen sichtbar sein, diese Gemeinschaftlichen Wohnformen ist etwas, was für unsere gesamte Gesellschaft wichtig ist. Gerade, wenn unser Haus fertig ist und wir eingezogen sind, dann sollten wir gerade nach außen gehen und aktiv werden und die, die noch nicht fertig sind, unterstützen und sie auch mit tragen. Das verbinde ich auch mit "zeigen". Ich bin für die anderen in unserem Projekt manchmal lästig, indem ich immer wieder Punkte anspreche und sage, wir wollten doch... und kann nicht jemand von euch da mitmachen...
Es geht dir also nicht darum, gemocht und geliebt zu werden?
Das würde ich nicht so in den Vordergrund stellen. Ich möchte natürlich mit eingebunden sein, ich möchte als Person auch gemocht werden, aber geliebt werden heißt ja nicht, bequem sein. Wir sind alle harmonisch miteinander, das stelle ich mir nicht in dem Haus vor. Man ist so eine WohnIntimitätsGemeinschaft... und damit ändert sich einiges. Es funktioniert, wenn man authentisch ist. Jeder auch mit seiner Unterschiedlichkeit.
Findest du nicht, dass es für die meisten von uns schwer ist, immer authentisch zu sein?
Ja, das ist richtig. Ich bin ja auch dabei, das zu lernen.
Wie lernst du das?
Ich denke, am besten lernen wir es, wenn wir in Krisen reinkommen. Also nicht in so übertriebene Krisen, sondern in Auseinandersetzungen, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, und wenn wir gucken, wie klären wir das miteinander?
Was ich im Moment als gut ansehe ist, dass die Konflikte nicht unter den Teppich gekehrt werden.
Habt ihr Regeln, wie ihr mit Konflikten umgeht?
Ja. Wir haben oft Mediation und Supervision, wir machen Gewaltfreie Kommunikation, wir haben ein Mal im Monat offenen Dialog, den wir, bevor wir eingezogen sind, in den letzten zwei Jahren immer einen ganzen Samstag gemacht haben. Wo wir dann ohne Tagesordnung offen Themen angesprochen haben, Themen, die wichtig sind und auf dem Herzen brennen.
Sind diese Termine für alle verpflichtend.
Hm... ja... es kommen nicht alle. Es wäre gut, wenn alle kommen würden. Und dann haben wir auch noch Palaver. Heute Abend, zum Beispiel, ist Palaver, für zwei Stunden. Das ist entstanden weil die Schwarzafrikaner, die bei uns sind, gesagt haben, ihr diskutiert immer, der eine will den anderen überzeugen. Wir setzen uns in Afrika unter den Baum und machen die Ohren auf, um zu hören, was der andere zu sagen hat. Das nennen wir Palaver, das hat auch Regeln. Wir machen es auch oft so, dass nur einer redet, das heißt, wir legen etwas in die Mitte, und einer nimmt das dann und redet, und es wird nicht diskutiert, es gibt keine Rede und Gegenrede, sondern jeder hat die Möglichkeit, seins zum Thema zu sagen.
Aber das sind dann keine Versammlungen, in denen ihr auch Entscheidungen trefft.
Nein. Das haben wir noch daneben. Wir haben relativ viele Sitzungen. Wir haben ein Mal die Hausgemeinschaft als Gemeinschaft der Bewohner. Das sind ja 42, und dann haben wir den Verein, da sind wir 50. Beide Gremien haben mindestens ein Mal im Monat ein Treffen. In letzter Zeit war das öfter.
Da habt ihr es mit euren Gemeinschaftsräumen gut, jetzt müsst ihr für eure Treffen nicht mehr das Haus verlassen.
Ja, das ist sehr gut. Obwohl ich manchmal das Gefühl habe, wenn man so Pantoffelnah zusammen ist... früher waren teilweise, auch beim offenen Dialog, mehr Menschen dabei... und heute, ja gut, wir können dann eher mal klingeln und nochmal nachfragen... irgendwie ist das mit der direkten Nähe nicht so erleichternd, so sage ich es mal.
Wir haben eine Gartengruppe, die sehr aktiv ist.
Jetzt würde ich dich gerne fragen: Was klappt so richtig gut bei euch im Zusammenleben, und dann die Frage, was klappt eher weniger gut?
Also wir machen viel miteinander. Es finden Kaffeetrinken und Frühstück und Literaturkreis und Wochenausklang statt. Die Gruppen sind dann nicht so groß. Wir haben eine Gartengruppe, die sehr aktiv ist. Es gibt immer wieder Bereiche, wo sich die Menschen mit ihren Fähigkeiten treffen und etwas machen. Wenn es Treffen sind, wo alle angesprochen sind, dann wird es schon ein bisschen schwieriger, dass alle mit dabei sind.
Ja... und was klappt nicht so gut? Wir haben ja ganz bewusst die Überlegung gehabt, wir haben die Hausgemeinschaft und dann haben wir den Verein. Und der Verein, juristische Person, der wird vom Vorstand geführt. Wir haben noch vier Beiräte dabei, so dass der Vorstand aus drei plus vier, aus sieben Leuten besteht. Wir nehmen uns auch manchmal noch Leute mit dazu, die besondere Aufgaben dann auch haben. Dann gibt es die Hausgemeinschaft mit dem Sprechergremium. Und da hat schon vor dem Einzug ein Konflikt stattgefunden. Der Vorstand hatte sich vorgestellt, dass einer aus dem Vorstand mit im Sprechergremium ist, damit es dort eine Vernetzung gibt und die Informationen fließen können. Die Hausgemeinschaft hat sich aber, da sie den Vorstand als sehr dominant ansieht - das sage ich mal so - dazu entschlossen, dass kein Vorstandsmitglied in das Sprechergremium geht. Wir vom Vorstand waren damals bereit, dass aber einer vom Sprechergremium in den Beirat des Vorstands geht. Von daher gibt es eine Verknüpfung, aber nur von der einen Seite. Und diese Zusammenarbeit von der Hausgemeinschaft, dargestellt durch das Sprechergremium und dem Verein, dargestellt durch den Vorstand, die könnte ich mir besser vorstellen.
Wie viele Leute sind im Sprechergremium?
Drei. Wir sind jetzt dabei, die Besetzung des Sprechergremiums zu ändern und wir hoffen dadurch, uns gegenseitig zu beflügeln, das war so unsere Idee. Was im Moment da vorherrscht ist: Wir müssen gucken, dass uns der Vorstand nicht dominiert. Obwohl wir Vorständler ja auch ganz normale Hausgemeinschaftsmitglieder sind.
Wie stimmt ihr bei den Wahlen der Mitglieder für die Gremien ab?
Die Besetzung der Gremien findet mit 50 Prozent plus einer Stimme statt.
Und obwohl das nicht einfach ist, aber was ich im Moment als gut ansehe ist, dass die Konflikte nicht unter den Teppich gekehrt werden. Sondern dass alles besprochen wird. Die Neuen sitzen manchmal dabei und schlackern mit den Ohren. Es liegt auch zum Teil daran, dass sie sich zu wenig bemühen, sich Information zu holen, um die Geschichte des Projekts zu kennen. Manche sind ja erst letzten Oktober dazu gekommen und wissen ganz vieles nicht, was wir vorher an Strukturen hatten, und dass wir unsere Projektskizze in ganz vielen Sitzungen über ein halbes Jahr lang erarbeitet haben. Ich sehe als positiv an, dass wir bereit sind, die Konflikte als etwas Positives zu schätzen... manche sind auch erschrocken.
Die Anonymität ist weg.
Ich habe noch eine Frage, was die Generationen angeht. Wie sind die verteilt?
Das ist sehr sehr gut, da sind wir ganz erstaunt. Wir haben ein Drittel Junge, also bis 40, die Kinder mal nicht mitgezählt, und ein Drittel von 40 bis 65 und ein Drittel 65 plus.
Habt ihr da viel für tun müssen, damit das so ausgewogen ist, oder habt ihr es laufen lassen?
Doch, wir haben da sehr viel für getan. Nur der Erfolg kam erst im letzten halben Jahr, im Mai letzten Jahres, als das Haus schon stand und als jeder gucken konnte. Da kamen dann die Jungen mit dazu. Vorher hatten wir die schwarzafrikanische Familie, die Alleinerziehende mit 2 Kindern und eine irakische Flüchtlingsfamilie mit einem Kind, die unter 40 waren. Die anderen Jungen sind ganz am Schluß gekommen.
Das erzählen ja alle, dass es genau so ist wie du beschreibst, dass die Jungen, vor allem die jungen Familien, erst dann kommen, wenn das Haus fertig ist und sie bald einziehen können. Diese jahrelange Vorarbeit, dafür haben die ja auch gar keine Zeit.
Gibt es sonst noch etwas, worüber du berichten könntest, was anders ist als vorher?
Etwas, was wir mal in kleinem Kreis besprochen haben. Da ist jemand und macht sich Gedanken darüber: ich möchte in einer Gemeinschaft leben und stellt sich vor, ich habe meine Wohnung, treffe mich mit den anderen, wir frühstücken zusammen. Und jetzt sind wir alle zusammen und sind in der Gemeinschaft, und auf einmal stellt diese Person fest: ja, das unbeobachtet Sein, das alleine Sein, hat auch einen großen Vorteil gehabt. Ich konnte machen, was ich wollte, es hat keiner geguckt.
Ich glaube, wir haben unterschiedliche Persönlichkeiten bei uns, für die dieser Schritt vom „Ich bin für mich“ in die Gemeinschaft hinein total verschieden ist. Und bei manchen stelle ich fest, sie sind erschrocken. Ich bin ja in einer Gemeinschaft! Ich bin ja verpflichtet! Hui, wo bin ich denn jetzt hier?
Dass ich mich einfach mal ein ganzes Wochenende zurückziehen kann, so ganz für mich allein, ja das geht nicht. Es geht auch nicht, weil ja ein paarundddreißig Balkone in dieselbe Richtung gehen. Setze ich mich auf meinen Balkon, sehen mich alle anderen. Ich glaube, dass das wirklich ... manche sind am überlegen: ja wie kann ich den Sonnenschirm... oder wie mache ich das jetzt? Ich konnte selber feststellen, wie ich mich zurückziehe, das geht jetzt nicht mehr. Es geht in der Wohnung, aber sobald ich einen Schritt rausmache und zum Briefkasten gehe... wenn ich nicht getroffen werden möchte von jemand anderem, oder keine Lust habe... ich kann es nicht mehr bestimmen. Sondern man wird jemanden treffen und es wird einen einer ansprechen. Und damit gehen die unterschiedlichen Menschen verschieden um.
Redet ihr darüber, tauscht ihr euch darüber aus?
Ja, in kleinen Gruppen. Aber ich habe das Thema noch nicht weiter beleuchtet. Das ist ja so eine innere Haltung, die dahinterstehen muss. Die Anonymität ist weg. Aber will man jemanden treffen, hat man den Vorteil, man muss sich nur auf eine Terrasse setzen oder in den Garten, und es kommt sofort einer und setzt sich dazu. Ich will das aber jetzt nicht als Problem darstellen, es ist nur so ein Gedanke im Zusammenhang damit, was alles anders ist.
Ich würde gerne noch etwas anderes sagen. Wir haben ja in der Vorbereitung viele Dinge versucht im Vorhinein zu klären, und wir stellen heute manchmal fest, dass wir manche Dinge noch konkreter hätten besprechen sollen.
Dabei habt ihr doch alles schon so genau besprochen.
Ja, und uns, dem Vorstand, wird oft von den Mitbewohnern gesagt: "Ihr habt das ganz toll gemacht, aber jetzt wollen wir, dass die Ansprüche abgesenkt werden. Die Ansprüche sind viel zu hoch." Ich glaube, das hat auch damit zu tun, was ich eben sagte, dass einige lieber das Persönliche berücksichtigen. Wir haben neulich in einer Vorstandssitzung darüber gesprochen, und was wir drei Vorständler feststellen ist, dass jeder von uns jeden Tag sicherlich drei Stunden für das Projekt arbeitet, vielleicht sogar noch mehr, abgesehen von den Treffen. Das ist wirklich ganz viel Kleinkram. Ich habe zum Beispiel die Finanzen, sowohl von der Hausgemeinschaft als auch vom Verein. Da bin ich immer beschäftigt, damit ich alles auf dem Laufenden habe. Das wird von den anderen gar nicht gesehen, was so an Kleinkram, an Verwaltungsarbeit, da alles anliegt. Und man kann das den anderen auch gar nicht klarmachen. Manchmal wird auch gefragt: "Wie können wir euch denn Arbeit abnehmen?" Wie wollen die mir die Finanzen abnehmen? Ich kann nicht den Monat, der mit M anfängt jemand anderem geben und die übrigen mache ich. Wir sind nach einer langen Diskussion drauf gekommen, dass wir Vorständler das Problem nicht lösen können. Sondern jeder, der als Vorstand da sitzt, kann nur für sich sagen: Ich mache es nicht, um meine Machtposition zu stärken, sondern ich mache es, indem ich der Gemeinschaft diene, also meine Fähigkeiten zur Verfügung stelle. Man kann nur für sich selber als Person sagen: Ich erscheine nach außen, als wollte ich meine Machtposition ausbauen, und von meiner inneren Haltung her sehe ich es so, dass ich diene, um die Gemeinschaft voranzubringen. Jeder, der so ein Amt hat, muss persönlich für sich diese Frage stellen.
Ja... und die Reflexion darüber dann auch kommunizieren, finde ich.
Ja.
Das hat dann ja auch etwas damit zu tun, sich zu zeigen,
Ja. Worum ich mich in letzter Zeit sehr bemühe, was mir manchmal sehr schwer fällt, ist, dass ich auf die Menschen, mit denen ich es schwer habe zugehe und sage: "Können wir uns nicht zusammensetzen?" Und in letzter Zeit mache ich es eher so, dass ich sage, ich will einen Ombudsmann oder eine Ombudsfrau dabei haben, und jeder kann sich noch eine Vertrauensperson dazu nehmen.
Was ist jetzt Ombudsfrau und Ombudsmann im Vergleich zur Vertrauensperson?
Vertrauensperson ist, ich als Wilhelm möchte gerne die Person A mit dabei haben. Und wir haben innerhalb unseres Vereins zwei Leute gewählt, die für Konflikte zuständig sind, das sind die Ombudsleute. Und dann haben wir noch zwei weitere Ombudsleute für Finanzen.
Wir haben vorgestern Abend noch zusammen gesessen und haben einfach überlegt: Was ist wichtig? Worum geht es? Mich nährt das.
Um allmählich zum Ende zu kommen würde ich dich gerne noch etwas fragen. In unserem ersten Interview sagst du ziemlich am Anfang, ich zitiere dich mal: "Mir geht es um das Bewusstsein in der Gesellschaft für solche alternativen Wohnformen." Das ist ein Ansatz, der geht ja weit über das eigene Wohnen hinaus.
Ja. Das ist auch der Grund, weshalb ich da überhaupt hingezogen bin. Gerade weil wir jetzt mit unserem Haus fertig sind, ist die Aufgabe, diese Idee vom Gemeinschaftlichen Wohnen stärker in die Gesellschaft reinzubringen. Oder an den Stellen anzuklopfen sei es bei der Politik oder sonstwo, wo eine Veränderung möglich ist.
Ist das denn das Anliegen des ganzen Vereins, oder ist das dein persönliches Anliegen, was du mit einigen wenigen Leuten teilst.
Das ist mein persönliches Anliegen und das von wenigen Leuten. Wir sind ein gemeinnütziger Verein; von den anderen wird das weniger beachtet. Wenn man nach dem Runden Tisch fragen würde, wissen manche gar nicht, was das ist, obwohl wir davon schon oft gesprochen haben. Dass wir Gespräche mit Politikern haben und auch ganz aktiv sind, dies voranzubringen, wissen auch die wenigsten, obwohl man immer wieder Infos vom Vorstand auf die Tagesordnung der Arbeitssitzungen setzt.
Du hast den Runden Tisch erwähnt, würdest du bitte mal beschreiben, was das ist?
Gerne. In der langen Realisierungsphase unseres Projekts haben wir erfahren, dass aus unserer Sicht die Rahmenbedingungen für gemeinschaftliche Wohnformen nicht förderlich sind. In einem Gespräch mit dem Amt für Stadtentwicklung und Statistik hatten wir verabredet, dass Lebensräume in Balance e.V. einige Wünsche an nachhaltige Rahmenbedingungen zusammenträgt. Dazu haben wir dann im Mai 2017 viele Projekte zu einem Runden Tisch eingeladen. Diese Treffen werden bis heute in der Melanchthon-Akademie in Köln etwa monatlich, bis auf die Ferien, fortgeführt. Unser Anliegen, das Thema Rahmenbedingungen gemeinsam zu erarbeiten, wurde leider in diesen Treffen nicht weiter verfolgt, sondern ganz konkrete Themen der Projektrealisierung waren und sind gefragt, wie z.B. Finanzierung der Gemeinschaftsbereiche und Gemeinschaftsbildung.
Aber unser vorrangiges Anliegen, gesellschaftspolitisch aktiv zu werden, ist nicht verloren gegangen. Auf einer anderen Schiene wird dies aktiv realisiert. Mit wenigen, aber ganz aktiven anderer Initiativen; zu nennen sind hier STADTRAUM 5und4 und das Netzwerk für Gemeinschaftliches Bauen und Wohnen in Köln, werden die Gespräche auf politischer Ebene und dabei auch die Vernetzung untereinander vorangetrieben.
Dies braucht ja viel Zeit und Kraft... woher nimmst Du diese Kraft?
Was ich feststelle ist, dass dieses nach außen gewandte Miteinander auch viel Energie gibt. Zur Vorbereitung dieser Treffen klopfe ich dann einfach bei ebenfalls begeisterten Mitbewohnern an, zum Beispiel bei Joachim Kolboske. Wir haben vorgestern Abend noch zusammen gesessen und haben einfach überlegt: Was ist wichtig? Worum geht es? Mich nährt das. Obwohl andere von außen sagen würden, was machst du dir Gedanken, das ist doch nur Arbeit, was hast du denn davon?
Wir haben noch gar nicht davon gesprochen, wie es mit der Einbindung eures Projekts im Quartier läuft.
Wir sind ja in den prekären Stadtteil Ostheim gezogen, und wir haben, seitdem wir dort wohnen, Kontakt zu unterschiedlichen Bürgervereinigungen, Kirche, Veedel e.V., Arbeiterwohlfahrt -Jugendzentrum. Und was ich so toll finde ist, dass man überall in diesen Organisationen Menschen findet, die sich engagieren, nicht zu ihrem Vorteil, sondern damit sich etwas verändert in diesem Stadtteil. Und das ist etwas, was man, glaube ich, nur in so einem Stadtteil trifft, was so ein bisschen prekär ist. In einem anderen Stadtteil liegt das Interesse auf einer ganz anderen Ebene. Das ist einfach wunderbar mit diesen anderen Menschen, die wir ja vorher so nicht kannten. Aber seitdem wir da sind und feststellen, die engagieren sich, die kommen auf uns zu, wir gehen auf die zu, wir befruchten uns gegenseitig, wir überlegen gemeinsam, was wir denn da machen können, ist der Kontakt viel intensiver geworden, als ich es mir vorher vorgestellt habe.
Da muss man natürlich über den Tellerrand gucken. Man muss dahin gehen. Wir sind beim Karnevalsumzug mitgezogen als kleine Gruppe. Wir waren nur ein Bollerwagen und vier Leute, aber die Leute vom Karnevalsverein kennen uns jetzt. Da findet Vernetzung innerhalb des Stadtteils statt, und das ist super gut. Wir haben Kontakt zum Kindergarten, und es gibt jetzt eine Gruppe von drei Leuten von uns, die dorthin gehen und vorlesen. Zwei Leute von uns gehen ins AWO Jugendzentrum und betreuen dort nachmittags Kinder. Da hat sich einiges getan.
Vielen Dank für das Gespräch.
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