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Trudy Braun

Zum Interview trafen wir uns am 16. Juli 2022 in Brühl.

 

 
 
Trudy Braun

Bei unserem ersten Interview haben wir auch an diesem Tisch gesessen. Das war im Mai 2018, vor vier Jahren. Damals wart ihr eine Gruppe von neun Personen, die Wohnungen in einem noch zu bauenden Haus kaufen wollten, um ein gemeinschaftliches Wohnprojekt zu realisieren. Du warst damals ganz sicher, dass ihr im Frühjahr 2020 einziehen werdet. Jetzt ist es ja nicht so gekommen. Was würdest du sagen waren die wesentlichen Gründe, dass es nicht geklappt hat.
Wenn ich zurückblicke und nach den Erfahrungen, die ich gemacht habe, kann ich sagen, dass neben den praktischen, finanziellen und organisatorischen Aspekten jemand die sozialen Aspekte des Wohnprojekts gleichwertig in der Gruppe darstellen muss. Und das hatten wir nicht.

Was meinst du mit "sozialen Aspekten"?
Da muss jemand sein, der die zwischenmenschlichen Beziehungen, die Kommunikation, die gemeinschaftlichen Angelegenheiten berücksichtigt. Diese müssen mit in den Vordergrund kommen.

Was meinst du mit "jemand"?
Im Prinzip sollten das alle tun, aber da es bei den meisten nicht präsent ist, braucht man jemanden, der diese Präsenz herausfordert. Man braucht jemanden, der mit den Teilnehmern über diese Themen spricht und ihnen bewusst macht, was ein Wohnprojekt heißt, was Gemeinschaft heißt. Es geht dabei ja nicht um die Interessen eines Einzelnen, sondern um die Interessen der Gemeinschaft. Leute, die in einem Wohnprojekt leben wollen, müssen sich bewusst machen, dass die gemeinschaftlichen Interessen vorrangig sind und nicht die eigenen. Dies ist aber nicht ganz normal bei den Leuten, die ich kennen gelernt habe, sondern die müssen angesprochen werden. Man muss bewusst machen, was es heißt gemeinsam zusammen zu wohnen.

Und das hast du nicht gemacht?
Das hätte ich machen können, es ist aber in der Rolle, in der ich war, einfach zu viel gewesen. Anfangs hatten wir jemanden, der das gemacht hat, diese Teilnehmer sind dann aber in ein anderes Projekt eingestiegen und diese Lücke ist auch nicht mehr gefüllt worden.

Welche Rolle hattest du denn, wenn du sagst, dass es nicht in deine Rolle gepasst hat, dich um den Gemeinschaftsgedanken zu kümmern?
Ich war ausgelastet mit den Kontakten von den Teilnehmern zum Bauträger und mit organisatorischen Sachen wie Gruppentreffen vorzubereiten und mit der Koordinierung der Planung. Wir haben ja auch viel mit den Architekten mitgeplant. Das alles hat viel Zeit in Anspruch genommen. Das war mein Feld, wofür ich auch die Voraussetzungen mitgebracht habe. Die emotional-soziale Geschichte ist damit nicht unbedingt kompatibel gewesen. Wenn wir in Diskussionen waren, habe ich natürlich meine sozialen Sichtweisen berücksichtigen und darstellen können, aber das muss vorbereitet sein. Mein Fokus lag auf einem anderen Schwerpunkt.

Meinst du, dass das, was du als "soziale Geschichte" bezeichnest, eine eigene Ebene ist und ebenso gemanagt werden muss wie die Ebene der Daten und Fakten, wie Finanzen, Planung, und Organisation?
Ja. Das ist der Punkt. Ich denke, es sind zwei gleichwertige Bereiche, die in einem Wohnprojekt auch gleichwertig behandelt werden müssen. Weil es nicht einfach da ist. Die Kenntnisse über Baupläne sind nicht einfach da, aber auch nicht die Kenntnisse über soziale Abläufe.

Wenn du "soziale Abläufe" sagst, meinst du damit die Kommunikationsstrukturen, die Frage, wie Entscheidungen getroffen werden, welche Regeln sich die Gruppe gibt, nach welchen Kriterien Neue aufgenommen werden, wie mit Konflikten umgegangen wird, wie überhaupt miteinander umgegangen wird oder wie die Gemeinschaft sich bilden kann?
Ja. Genau.

Um nochmal auf meine erste Frage zurückzukommen, gab es noch andere Gründe dafür, dass es nicht geklappt hat?
Also erstens haben wir es nicht geschafft, eine Gemeinschaft zu sein. Die Gruppe war mit persönlichen Interessen beschäftigt. Die bauliche Situation hat sich im Laufe der Zeit insofern verändert, dass die Baupreise explodierten und dass der Bauträger uns gegenüber den genannten Festpreis pro Quadratmeter nicht mehr halten wollte. Der hat sich fast verdoppelt. Der Termin des Baubeginns wurde immer wieder verschoben. Einige in der Gruppe hatten bereits ihre damaligen Wohnungen verkauft oder sie hatten Interessenten und alles wurde sehr vage. Als dann der Bauträger 2020 den Baubeginn nochmal um zwei Jahre verschoben hat, sind die meisten abgesprungen. Ich habe dann noch den Gedanken gehabt, das Grundstück gemeinsam zu kaufen und einen anderen Bauträger zu beauftragen, aber dazu hätten wir eine Finanzierungsgemeinschaft werden müssen und das war nicht möglich. Daraufhin ist dann das ganze Projekt gestorben.

Erinnerst du dich noch an den Moment, als dir klar wurde, dass es vorbei ist?
Ich erinnere mich daran, als Anfang 2020 der Baubeginn noch mal um zwei Jahre verschoben wurde. Da kam dann bei der Besprechung raus, dass sie das nicht wollen. Das war das Ende der Gruppe und des Projekts.

Ich nehme an, das war für dich enttäuschend, denn du hast ja sehr viel Zeit, Energie und Hoffnung in das Projekt investiert.
Ja klar, wenn man sich ein Ziel setzt und es nicht erreicht, ist es erstmal enttäuschend. Die Umstände waren einfach so, dass es nicht mehr funktionieren konnte.

Lass und jetzt einen Sprung in die Gegenwart machen. Das Haus, um das es bei eurem Wohnprojekt ging, wurde mittlerweile gebaut und steht derzeit im Rohbau. Ein Haus mit 19 Eigentumswohnungen. Davon hast du vier gekauft, die gesamte obere Etage. Wie kam es dazu?
Ich fand den Platz, an dem das Haus jetzt steht, immer schon sehr gut. Aber nachdem das Wohnprojekt gescheitert war, habe ich mich zunächst auch von diesem Platz verabschiedet. Da ich aber mein Altenteil sichern und investieren und eine Wohnung kaufen wollte, habe ich mich nach anderen Wohnungen hier in Brühl in der Nähe meiner jetzigen Wohnung umgeschaut. Aber was angeboten wurde, faszinierte mich nicht und dann fiel mir der Satz ein, den ich mal ganz am Anfang in der Gruppe gesagt hatte: Egal was passiert, ich werde in diesem Haus wohnen, mit oder ohne euch. Das habe ich in einem Gespräch gesagt als es darum ging, ob wir das mit dem Wohnprojekt schaffen können oder nicht. Dann habe ich gedacht, warum soll ich nicht mal nachfragen und habe den Bauträger angerufen und gefragt, was denn jetzt mit dem Haus passiert und was sie vorhaben. Man erzählte mir, dass das Haus gebaut wird, die Wohnungen jedoch noch nicht im Verkauf sind. Daraufhin hat man mir die Pläne geschickt und es waren genau die Pläne, die wir damals zusammen entwickelt hatten mit dem Unterschied, dass jetzt die Flure etwas schmäler und die Wohnungen etwas größer sind.

Und dann?
Ja, dann ging es darum, was ich mir leisten kann und was nicht. Dann ergab es sich, dass ich durch den Verkauf einer anderen Immobilie in der Lage war, dort zu investieren.

Jetzt hast du aber nicht nur eine Wohnung gekauft, sondern vier. Eine für dich und die anderen drei Wohnungen vermietest du. War das von Anfang an dein Plan?
Zuerst wollte ich nur eine Wohnung kaufen. Aber durch die Entwicklung meiner persönlichen finanziellen Situation hatte ich dann mehr Geld zur Verfügung und habe mir überlegt, dass es dann auch schön wäre, wenn man oben wohnt und weiß, wer neben einem wohnt. Dann habe ich es mir anbieten lassen und festgestellt, dass es funktioniert. Die Finanzierung steht. Neben dir werden noch zwei Freundinnen einziehen, die beide auch schon im Wohnprojekt waren und genau die Wohnungen, in die sie jetzt einziehen, damals für sich geplant hatten.

Du hast für dich ja auch die Wohnung ausgesucht, die du damals im Projekt für dich geplant hattest. Das heißt, ihr drei seid praktisch von der Wohnprojektgruppe übrig geblieben. Ich komme dazu, weil ich deine Schwester bin.
Für mich hat sich das alles ja im Zusammenhang unserer familiären Beziehung als Schwestern ergeben. Wir haben früher sehr oft und immer wieder gesagt, dass wir es gut fänden, wenn wir beide im Alter nahe beieinander wohnen würden. Ich empfinde es wie ein großes Geschenk, dass ich jetzt durch die Beziehung zu dir bald in eine neue schöne Wohnung einziehen darf. Mein Anliegen ist ja Wohnsicherheit. Das hat etwas mit dem Alter zu tun. Als Mieterin ist man immer unsicher ob man, aus welchem Gründen auch immer, die Kündigung bekommt. Mit dir als Vermieterin fühle ich mich sicher.
Ich finde auch die Lage des Hauses gut, die Nähe zur Bahn nach Köln und Bonn. Wir haben uns ja jetzt schon mehrmals zu viert getroffen und es geht uns allen um dasselbe, nämlich fürs Alter eine gute Wohnsituation zu haben, vor allem auch eine gute Nachbarschaft. Was mir auch sehr gefällt ist, dass wir alle keinen Gemeinschaftsanspruch haben, keinen Anspruch und keine Erwartungen aneinander.

Ja. Es geht um die gute Nachbarschaft und um das richtige Verhältnis von Nähe und Distanz.

Das wird sich ja erst entwickeln nachdem wir eingezogen sind. Was ich noch wichtig zu erwähnen finde ist die klare Rollenverteilung, die wir in unserer Konstellation haben. Als Eigentümerin und Vermieterin bist du der Boss, du entscheidest. Du entscheidest auch, ob und wieweit du uns Mieterinnen einbeziehst in Planungsfragen. Letztens waren wir ja alle vier zusammen die Fliesen für den Fußboden und die Wände im Bad aussuchen. Dann waren wir die Ausstattung für die Bäder aussuchen und jede konnte ihre Meinung sagen. Du hast uns gezeigt, was vom Bauträger vorgesehen ist und jede konnte sagen, ob sie das so haben will oder etwas anderes möchte. Natürlich müssen Änderungen entsprechend bezahlt werden, das ist ja klar. Du hast uns auch gefragt, wo wir noch weitere Steckdosen zu den vorgesehenen haben wollten. Wir hatten auch die Möglichkeit in unserer jeweiligen Wohnung Zwischenwände anders zu setzen als auf dem Plan vorgesehen. Aus Sicht der Mieterin finde ich das alles ganz wunderbar.
Als Vermieterin bin ich in den letzten Jahren immer gut gefahren, wenn man auf die Bedürfnisse des Mieters eingeht. Und wenn ich neu baue, kann ich Leitungen ohne Probleme verlegen. Wenn ich es später richten muss, werden Wände aufgeschlagen und es kostet auch mehr Geld. Für mich ist es wichtig, dass der Mieter sich in seiner Wohnung wohlfühlt. Wenn ich zum Beispiel zu wenig Steckdosen habe und muss mit Verlängerungen arbeiten, so wie ich das in meiner jetzigen Wohnung muss, dann ist das nicht schön. Warum also soll ich die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mieter nicht berücksichtigen. Wenn meine Mieter zufrieden und gerne in der Wohnung sind, dann werden sie die Wohnung auch entsprechend pflegen. Wenn meine Mieter sich nicht wohlfühlen ist ihnen auch das Mietobjekt egal. Wenn ich mich in meiner Wohnung wohlfühle, bin ich von meiner ganzen Einstellung her auch eher imstande, entspannt und freundlich auf andere Menschen zuzugehen. Wenn ich mich in meiner Wohnung nicht wohlfühle, bin ich auch nicht gerne drin. Ich finde die Voraussetzung des Wohlfühlens ist auch die Voraussetzung dafür, wie man sich anderen gegenüber zeigt. Wenn ich mich schon schwarz ärger, weil dieses oder jenes in meiner Wohnung nicht funktioniert und ich gehe raus, kriegt wahrscheinlich der eine oder andere eine Ladung meiner Unzufriedenheit ab. Ich sehe die Wohnung als Basis und wenn die gut ist, dann habe ich vielleicht ein Lächeln und das bringt mir vielleicht ein anderes Lächeln zurück. Ich gehe auch von mir aus. Wenn ich in einer Wohnung bin, in der ich mich wohlfühle, da bin ich zuhause, und wenn ich dort zuhause bin, ist auch das, was daneben ist, mein Zuhause, der Flur, die Treppe, das Haus. Da wir ja jetzt auf einer Etage wohnen werden und es Leute sind, die ich kenne, die ich auch wegen ihrer Persönlichkeit schätze, habe ich, was das betrifft, ein gutes Gefühl, dass wir miteinander sehr gut auskommen werden.

Danke für das Gespräch.
Ich würde mich jetzt schon gerne mit dir für unser drittes Interview verabreden, so ungefähr zwei oder drei Monate nach unserem Einzug. Bist du einverstanden?

Sehr gerne.

Hier geht es zum ersten Interview von 2018.
https://werkstattfuermiteinander.com/interview-trudy-braun.html

   
 
   

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